Nach dem Sylt-Video mit rassistischen Gesängen, Nazi-Gesten und -Parolen warnt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen vor einem “digitalen Pranger”. Die Taten seien widerlich und abscheulich und müssten auch strafrechtlich verfolgt werden, sagte Pörksen (Montagnachmittag) im Deutschlandfunk. Aber man solle in dem Zusammenhang auch die Frage stellen, “ob es nötig ist, Klarnamen zu enthüllen und Menschen in dieser Weise dann für die Verfolgung freizugeben”.
Von Rassismus, antisemitischem Gegröle und Hitlergrüßen müsse man sich aufs Schärfste distanzieren und abgrenzen, so Pörksen weiter. Doch bei aller Kritik dürfe es nicht zu einer Art digitaler Menschenjagd kommen, die durch die Sozialen Medien mit ihrem “permanent vibrierenden, hochnervösen Wirkungsnetz” noch verstärkt würden. Da spiele es auch keine Rolle, dass die jungen Menschen in dem Club auf Sylt ihr Handeln selbst gefilmt und im Netz geteilt hätten.
Allzu schnell würden heutzutage mediale Urteile gefällt, statt auf das wichtige juristische Urteil in einer Demokratie zu warten, warnte der Medienwissenschaftler: “Im Netz wimmelt es dann von Ermittlerinnen und Ermittlern.” Und neben der digitalen Jagd im Netz habe auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Video unverpixelt gezeigt, und Politiker hätten sich “bis weit in die obersten Ebenen hinauf sehr entschieden und mit Sofort-Urteilen positioniert”.
In dieser “Zusammenballung von Energien, in dieser plötzlich aufschäumenden Empörung entsteht dann eine Gewalt eigener Art”, so Pörksen weiter; “und niemand weiß, was übermorgen einer der Beschuldigten tun wird”. Zudem habe es auch immer wieder Verwechslungen oder Drohungen gegen Menschen mit ähnlichen Namen gegeben.
Das Video, das seit Donnerstagabend millionenfach geteilt wurde, zeigt feiernde junge Menschen auf der Terrasse eines Clubs auf Sylt. Einige von ihnen singen fremdenfeindliche Slogans wie “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” auf die Musik des Liedes “L’Amour toujours” von Gigi D’Agostino. Dabei imitieren einzelne Personen mit Gesten offenbar den in Deutschland verbotenen nationalsozialistischen Hitlergruß. Die Namen der meisten im Video zu sehenden Personen sind inzwischen bekannt; mindestens zwei von ihnen haben deshalb ihren Job verloren. Die Justiz ermittelt.