Nach einer umstrittenen Wahl ist die Jüdische Gemeinde zu Berlin im Streit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Aus dessen Reihen kommt jetzt ein neuer Beschluss – und aus der Gemeinde kommen scharfe Widerworte.
In einem Streit über eine Gemeindeparlamentswahl in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin hat der Zentralrat der Juden in Deutschland Konsequenzen gezogen. Das Präsidium des Zentralrats beschloss am Dienstag, auf Empfehlung des Zentralratsgerichts der Berliner Gemeinde zunächst für ein Jahr die Stimmberechtigung in den Organen des Zentralrats zu entziehen. Am Abend reagierte die jüdische Gemeinde mit scharfer Kritik und warf dem Zentralrat unter anderem “anhaltendes Mobbing” vor.
Hintergrund der Kontroverse ist eine umstrittene Gemeindeparlamentswahl im Herbst vergangenen Jahres, die der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe gewonnen hatte. Der Zentralrat erkennt die Wahl allerdings nicht an. Grund ist eine geänderte Wahlordnung, die etwa eine Altersbegrenzung für Kandidatinnen und Kandidaten und eine verlängerte Amtsperiode vorsieht.
Ein unabhängiges Gericht beim Zentralrat stellte in einem Eilverfahren die Rechtswidrigkeit der neugefassten Wahlordnung fest und verfügte eine Unterlassung der Wahl nach der neuen Ordnung, bis die Sache abschließend geklärt sei. Die Berliner Gemeinde erkennt die Zuständigkeit des Gerichts jedoch nicht an.
“Mitglieder der Berliner Gemeinde hatten gegen die Wahlordnung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geklagt und jeweils in Eilverfahren Recht bekommen. Die Gemeinde hat diese Entscheidungen ignoriert und die Wahl zur 20. Repräsentantenversammlung auf der Grundlage der vom Gericht als nichtig geurteilten Wahlordnung durchgeführt”, erklärte der Zentralrat am Dienstag.
Der aktuelle Präsidiumsbeschluss sei daher einstimmig erfolgt, hieß es weiter. Erst kürzlich war die Geschäftsführerin der Berliner Gemeinde, Milena Rosenzweig-Winter, in das neun Personen umfassende Präsidium des Zentralrats gewählt worden. Auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hieß es vonseiten des Zentralrats, dass im Präsidium eine Person, die in einer Sache befangen sei, laut Geschäftsordnung nicht abstimmen dürfe. Weil Rosenzweig-Winter Mitglied der Berliner Gemeinde sei, habe im konkreten Fall eine solche Befangenheit vorgelegen.
Die Berliner Gemeinde erklärte am Abend, sie werde “gehäufte Gängelungen” durch den Zentralrat nicht akzeptieren und sich “mit allen ihr verfügbaren Mitteln wehren”. Es sei bedauerlich, dass der Zentralrat “so verantwortungslos und destruktiv” handele. Vielmehr sei es angesichts von antisemitischen Attacken gegen die jüdische Gemeinschaft insgesamt geboten, für Geschlossenheit und Solidarität unter den Gemeinden zu sorgen.
“Indem der Zentralrat nun rund einem Zehntel seiner Mitglieder das Mitwirkungsrecht verweigert, kann er wohl schwerlich weiterhin für sich in Anspruch nehmen, als Gesamtvertretung des deutschen Judentums gegenüber Staat und Gesellschaft zu agieren”, hieß es weiter. Die Gefahr einer Spaltung des Zentralrats werde verstärkt: “Es kann nicht im Sinne des Zentralrats sein, dass es hier mittelfristig zur Schaffung von regelrechten Parallelstrukturen kommen kann.”