Schnappschüsse von Reisen gehören laut der LWL-Volkskundlerin Christiane Cantauw zu den am häufigsten überlieferten fotografischen Quellen. Im 20. Jahrhundert machten Reisefotos mehr als die Hälfte aller privaten Aufnahmen aus, sagte Cantauw am Mittwoch in Münster. Vor allem in der Zeit zwischen 1950 und 1985, als sich die Deutschen zu „Reiseweltmeistern“ entwickelten, sei das in zahlreichen Fotoalben dokumentiert worden. Ausschlaggebend sei dabei gewesen, dass die meisten deutschen Haushalte mit einer Kamera ausgestattet waren.
„In nahezu jedem Haushalt in der Bundesrepublik gab es damals ein oder meist mehrere Fotoalben, in denen Erinnerungen an Urlaube an der Nord- oder Ostsee, in Österreich oder auf Mallorca aufbewahrt wurden“, erzählte Geschäftsführerin der Kommission Alltagskulturforschung beim LWL. Auch heute werde mehr als je zuvor fotografiert, meist mit dem Handy. Doch nur die wenigsten Bilder würden noch in Alben eingeklebt, alte Fotobücher oft weggeworfen.
Das LWL-Archiv für Alltagskultur konnte demnach im vergangenen Jahr 15 Reisefotoalben von zwei Schwestern aus Geseke im Kreis Soest für seine Sammlung sichern. Die beiden Frauen, 1928 und 1929 geboren, hatten rund 50 Jahre lang Fotos und weitere Dokumente zahlreicher Reisen akribisch in Alben gesammelt. Reisen nach Juist, in die Niederlande, nach Südfrankreich oder Madeira sind in den selbst gestalteten Büchern ebenso dokumentiert wie Ziele außerhalb Europas, etwa nach Tunesien oder den USA.
Merkmale wie grafische Muster der Einbände, schlichtere Farbverläufe, Blumenmuster, opulente Zeichnungen oder schlichte Kunstledereinbände ließen Rückschlüsse darauf zu, in welchen Dekaden sie gekauft wurden, erklärte Cantauw, die zum Thema forscht. „Anhand der Jahreszahlen, die vielfach zu den Urlaubsreisen vermerkt wurden, lässt sich das leicht überprüfen.“ Bemerkenswert sei die Bandbreite an Reiseverkehrsmitteln der Schwestern, oft per Bus und Zug. In den 70ern hätten sie eine Kreuzfahrt gebucht, als die Reedereien die Fahrten auch für den Mittelstand bezahlbar machten.
„Interessant fand ich auch, dass nicht alle Fotografien selbst geknipst worden sind“, erzählte Cantauw. So gebe es ein Bild, das eine Schwester beim Verlassen eines Flugzeugs zeigt. „Sogenannte Gangway-Fotografien waren ein willkommener Beleg für die Teilnahme an einer Flugreise, die in den frühen 1980er Jahren durchaus noch etwas Besonderes war“, sagte die Volkskundlerin. Berufsfotografen an den Flughäfen knüpften mit dem Sujet an Bilder von Prominenten an, wie sie in Illustrierten und der Werbung damals gezeigt wurden.