Frankfurt a.M. (epd). Als Iris Berben vor zwölf Jahren mit der «Besonderen Ehrung» des Grimme-Preises für ihr außergewöhnliches filmisches, demokratisches und gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet wurde, traute das Publikum im Theater von Marl seinen Augen kaum. Was war los? Solche Preise gibt es in der Film- und Fernsehbranche gewöhnlich zum Karriereende. Zur Verzuckerung des Abschieds und als Botschaft: Sie waren wichtig, herzlichen Dank für alles, und jetzt bitte Platz machen für den Nachwuchs im Jugendalter.
Die strahlende und elegante, jugendlich erscheinende Iris Berben wirkte eindeutig wie eine Fehlbesetzung der Altersrolle. Eine, die dankend annahm, für ihre Herzensangelegenheiten warb und trotz Blitzlichtgewitter dafür sorgte, dass auch die anderen Preisträger ihren Moment im Rampenlicht bekamen.
Preise als Ruhekissen? Nichts für Iris Berben. Zum 70. Geburtstag des Stars und Publikumslieblings, der Volksschauspielerin und unangepassten Staatsbürgerin gilt das vielleicht noch mehr als vor zwölf Jahren. Denn die Künstlerin, die am 12. August 1950 im nordrhein-westfälischen Detmold geboren wurde, macht nicht nur weiter – sie wird in den Augen vieler Kritiker immer besser. Wie Senta Berger oder die kürzlich verstorbene Hannelore Elsner steht sie für den Wandel der Frauenrolle im Film – für emanzipierte und
eigensinnige Darstellungen jenseits von hübsch und schmückend.
Mit ihr und durch sie hat die Film- und Fernsehbranche in Deutschland entdeckt, was in Frankreich längst bekannt war: wie umfassend attraktiv Frauenfiguren jenseits der 50 sein können. Iris Berben funktioniert sogar in ungeschminkt. In der Serie «Die Protokollantin» verkörpert sie eine unscheinbare, verhärmte Frau in grauen Klamotten und mit sturem Gerechtigkeitssinn. Auch das wollten sehr viele Zuschauer sehen.
In diesem Jahr erhielt Iris Berben für die Studie einer überkontrollierten Chefsekretärin, die nach ihrer Pensionierung das Abenteuer des Lebens entdeckt, einen weiteren Grimme-Preis. In dem Film «Hanne» von Dominik Graf zeigte sie noch einmal, was sie kann, mit einer ungeheuer glaubwürdigen und differenzierten Darstellung.
Mit Ehrungen und Verdienstorden, insbesondere für ihr Engagement für das Existenzrecht Israels und das Eintreten für Toleranz, könnte sich Iris Berben inzwischen Wände tapezieren. 2002 erhielt sie wegen ihres Engagements gegen Ausländerfeindlichkeit vom Zentralrat der Juden in Deutschland den Leo-Baeck-Preis. Lang ist auch die Liste der Anerkennungen für ihre künstlerische Karriere. Zu ihrem Geburtstag ehrt das ZDF sie mit der Hommage «Nicht tot zu kriegen», zwei Tage später setzt ihr die ARD mit «Mein Altweibersommer» ein Denkmal.
Seit ihren filmischen Anfängen 1968 in München, als sie mit Rudolf Thomes «Detektive» ihren ersten Kinofilm drehte, hat Berben einen weiten Weg zurückgelegt. In den 70ern folgten erst einmal «Ulknudel»-Auftritte mit Ingrid Steeger als verrückte Stewardessen in «Zwei himmlische Töchter» von Michael Pfleghar.
Mit Diether Krebs spielte sie in den 80ern in wildester Verkleidung in «Sketchup», und als misshandelte Ehefrau Evelyn von Guldenburg litt sie in der Erfolgsserie «Das Erbe der Guldenburgs» so sehr, dass wildfremde Menschen sie an der Wursttheke im Supermarkt trösten wollten, wie sie selbst erzählte.
Ganz anders die selbstbewusste, souveräne Kommissarin «Rosa Roth», inszeniert von ihrem langjährigen Hausregisseur Carlo Rola und produziert von ihrem Sohn Oliver Berben. Viele, auch historische Frauenrollen zählen zu Berbens Filmographie. Als Bertha Krupp in «Krupp – Eine deutsche Familie» war sie in New York für den internationalen Fernsehpreis Emmy nominiert.
Mit Regisseur Matti Geschonneck drehte sie Filme, die auch die Feuilletonkritik erreichten, wie «Liebesjahre» und «Silberhochzeit». Von 2010 bis 2019 vertrat sie zudem als Präsidentin der Deutschen Filmakademie die Interessen von 1.800 Kreativen der Filmbranche.
Zur Grimme-Preis-Ehrung 2008 kam Iris Berben mit ihrem damals für die Presse brandneuen Lebensgefährten Heiko Kiesow. Die Fotografen rangelten um das beste Bild wie bei den Oscars. Auch Berbens Privatleben, etwa ihre Liebe zum israelischen Musiker Abi Ofarim Ende der 60er oder die langjährige Beziehung mit dem israelischen Geschäftsmann Gabriel Lewy, gehört zum Bild der Schauspielerin. Ihre Generation vertritt die Haltung, dass das Private politisch sei.
Dass Iris Berben auch in Liebesdingen ein selbstbestimmtes Leben führt, dass sie stolz darauf ist, für konsequentes Verhalten in ihrer Jugend mehrfach der Schule verwiesen worden zu sein, gehört zur öffentlichen Biografie. Die Schule verließ sie dann ohne Abitur, aber mit Lebenserfahrung.