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Luftballonstart und Frank Sinatra

Bestattungsformen und Gestaltungswünsche für Trauerfeiern werden immer individueller. Wie kann das christliche Bestattungswesen darauf reagieren?

Marco Scisetti - Fotolia

 

Ein Luftballonstart bei einer Urnen- oder Erdbestattung ist schon  gewöhnungsbedürftig. Von Angehörigen wird dieser Wunsch jedoch immer öfter geäußert. Wie ist damit umzugehen? Und wie mit den vielen anderen „Neuerungen“, die sich im Bestattungswesen auf deutschen Friedhöfen, Friedwäldern und Kolumbarien abbilden. Dagmar Knecht, Seelsorgerin in München, hat ihre Erfahrungen mit besonderen Bestattungen, wie sie konzentriert in Großstädten zu beobachten sind, aufgeschrieben („Mit jedem Leben endet eine Weltgeschichte“, Gütersloher Verlagshaus 2015).
Dazu gehört auch der Luftballonstart am Grab. „Auf den ersten Blick wirkt das naiv, sogar kitschig – es scheint ein zu fröhliches Bild angesichts des Todes zu sein“, schreibt die Seelsorgerin. Auf den zweiten Blick entdeckt sie aber Anknüpfungspunkte für die Auferstehung. Die leichten, aufwärts-schwebenden Ballons „steigen in den Himmel wie die Seele des Verstorbenen“. Das Bild sei für Menschen unmittelbar verständlich. Ähnlich wie der Brauch, nach dem Tod eines Menschen ein Fenster zu öffnen, um der Seele ihren Flug in den Himmel zu ermöglichen. Der Luftballon ist ein Bild dafür, was im Tod geschieht: „Ein Mensch wechselt die Sphären, in denen er existiert.“ Es geschehe nicht im Ballonstart, werde dadurch aber sinnenhaft „erfahrbar“.
Immer wieder Grund zu Diskussion, Verwunderung oder gar Ärger sind die Lied- und Musikwünsche der Angehörigen zur Bestattung oder Urnenbeisetzung. Es fängt mit der Ausgangsfrage an: Dürfen bei Amtshandlungen grundsätzlich nur geistliche Lieder verwendet werden? Die Autorin sagt: „Was könnte es auf dieser Welt geben, das nichts mit Gott zu tun hat?“ So ließen sich in vielen Musikstücken aus dem Bereich der Rock-, Pop- und Volksmusik durchaus „religiöse Themen und Leitmotive finden“. Herausforderung für die Predigerin oder den Prediger ist es dabei, „die Dimension in einem Lied zu entdecken, so ,Himmel und Erde‘ sich berühren“. Bisher habe sie in jedem Musikstück ein Thema gefunden, das mit einer biblisch fundierten Verkündigung korrespondierte. Der Musikgeschmack des Geistlichen darf dabei keine Rolle spielen. Wichtig ist: Die Angehörigen verbinden mit diesem Lied etwas, es hat eine Geschichte im Leben des Verstorbenen, im Familienleben. Oder es drückt in der Beerdiung etwas aus, was ihnen unbedingt wichtig ist. Lebenslinien und Hoffnungen werden in Melodien und Liedzeilen abgebildet. Ein Klassiker ist inzwischen das Lied „Time to say Goodbye“, das den Abschied zu einer großen Reise thematisiert. Ein plötzlich und unerwartet hereingebrochener Tod wird in dem Titel „Kartenhaus“ aufgenommen. Oft wird die Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod mit dem Song „Hinterm Horizont“ verbunden.
Eine weitere Gruppe von Liedern greift die große Sehnsucht von Menschen auf. Frank Sinatras „My Way“ steht dabei für den Wunsch, alles möge einen Sinn haben, „auch wenn jemand sein Leben auf sehr eigene Weise gelebt hat“. Manche der Liedzeilen ließen sich direkt in ein Gebet oder Votum übernehmen, so die Theologin. Andere eignen sich eher als Teil der Predigt, indem das Leben und Wesen des Verstorbenen auf den Liedtext bezogen werden. Allerdings gebe es bei Texten auch Aussagen, die keine Verwendung finden, etwa weil sie zu provokant bzw. bagatellisierend sind. Eine Lösung kann hier sein, die Instrumentalfassung des Liedes einzuspielen.
Die Praxisimpulse des Buches ermutigen, in Verantwortung vor dem Evangelium auch in außergewöhnlichen Trauer- und Bestattungssituationen diesem Evangelium eine Stimme zu geben.