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Lübeck: Der lange Weg vom Kornspeicher zum Kolumbarium

In einem Lübecker Kornspeicher hat ein Kolumbarium eröffnet, nach sechs Jahren Bauzeit. Das Besondere: Angehörige können persönliche Gegenstände der Verstorbenen ausstellen.

Über der Trauerhalle hängt eine sechs Meter hohe Lichtskulptur
Über der Trauerhalle hängt eine sechs Meter hohe Lichtskulpturepdbild / Nadine Heggen

Dass es so ein langer Weg werden würde, hatten Peggy Morenz und Michael Angern nicht erwartet: Nach sechsjähriger Umbauzeit konnte das Paar das Kolumbarium „Die Eiche“ an der Lübecker Trave mit einem Festakt offiziell eröffnen. „Das ist ein magischer Moment für uns“, sagten beide dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf zwei Etagen des 150 Jahre alten Kornspeichers, der einst im Besitz der Familie des Schriftstellers Thomas Mann (1875-1955) war, können Verstorbene ihre letzte Ruhe finden.

Bereits ein Besuch der Trauer- und Veranstaltungshalle im Erdgeschoss macht deutlich, dass der Umbau mit viel Liebe zur Kunst und Ästhetik erfolgte. Alte, restaurierte Kirchenbänke aus Österreich bieten Platz für maximal 100 Gäste. In der Mitte des Raumes hängt eine knapp sechs Meter hohe Lichtskulptur, die die Schweizer Künstlerin Madlaina Lys handgefertigt hat. 12.703 weiße Porzellanplättchen hängen an 600 Fäden. Durch den Umbau wurde das Mittelschiff des Speichers geöffnet und so scheint es, als schwebten die Plättchen zu den Grabkammern in den beiden oberen Etagen.

Kolumbarium “Die Eiche”: Spiegelsaal mit schlichter Eleganz

Die wiederum sind sehr unterschiedlich gestaltet. Mit schlichter Eleganz besticht der Spiegelsaal mit Fensterfront zur Trave. An den Kopfenden des Raumes befinden sich Grabkammern mit verspiegelten Türen. In der Mitte steht ein Schreibtisch, an dem Angehörige Briefe an die Verstorbenen schreiben können. Angedacht ist auch ein Buch mit Rückblicken auf das Leben einiger Verstorbener, in dem Angehörige blättern können.

Das Kolumbarium "Die Eiche" in Lübeck gehört Peggy Morenz und Michael Angern
Das Kolumbarium "Die Eiche" in Lübeck gehört Peggy Morenz und Michael Angernepdbild / Nadine Heggen

„Unser Ziel ist es, mit Erinnerungen ein kulturelles Gedächtnis zu schaffen, das die Nachwelt inspiriert“, sagte Angern. Dazu passt auch der nächste Raum, die Galerie. In Vitrinen vor den Grabkammern können Angehörige persönliche Gegenstände der Verstorbenen ausstellen. Gemeinsam mit Künstlern werden aus Figuren, Schriftstücken und Fotos Dioramen angefertigt.

Weiter befinden sich in dem Kolumbarium vier Bibliotheken. Neben Büchern, die nach Themen geordnet sind, stehen 2.000 Jahre alte Urnen, die ebenfalls als Gräber dienen. Mit knapp 20.000 Euro für die gesamte Ruhefrist ist das die teuerste Bestattungsform in der „Eiche“.

Günstig zu haben: Bestattung im Gemeinschaftsgrab

Am günstigsten ist mit rund 2.800 Euro eine Bestattung im Gemeinschaftsgrab. Dabei handelt es sich um ein kleines Urnenzimmer, das hinter einem zwei Meter großen und 1.000 Jahre alten Baumstamm verborgen ist. Insgesamt können 3.400 Menschen in der „Eiche“ bestattet werden, unabhängig von ihrer Konfession. 30 Grabkammern sind bereits belegt.

Den Eigentümern ist es wichtig, dass „Die Eiche“ ein lebendiger Ort wird. „Bei uns bleiben die Verstorbenen Teil der Gemeinschaft. Hier werden auch Lesungen und Konzerte stattfinden“, erklärte Angern. Anders als auf einem Friedhof sind die Angehörigen in dem Kolumbarium nicht allein. Gästebegleiter sollen sie empfangen und offen sein für Gespräche.

Eine hauseigene Floristik sorgt für einen einheitlichen Look der Blumensträuße im Haus. Grabschmuck, wie Kunststoff-Engel, sind in der „Eiche“ tabu. „Das lenkt andere von der Zwiesprache mit den Verstorbenen ab und widerspricht auch unserem kuratorischen Konzept“, sagte Morenz.

2013 haben der IT-Spezialist und die Gestalterin den Speicher gekauft. Ursprünglich brauchte Angern Platz für die Expansion seiner Software-Firma, die Bestattungsunternehmen als Kunden hatte. Während eines Seminars über alternative Bestattungsformen kam dem Lübecker die Idee, den Speicher zu einem Kolumbarium umzubauen. Angern verkaufte seine IT-Firma und steckte das Geld in den Umbau des Speichers, der im Frühjahr 2020 begann.

15 Brandschutzkonzepte vorgelegt

Ende 2021 war eigentlich alles fertig. Doch öffnen konnte das Kolumbarium nicht. Grund waren hohe Brandschutzauflagen für das alte Gebäude, das von einem Holzständerwerk getragen wird. Ein externer Gutachter lehnte 14 Brandschutzkonzepte ab, das 15. akzeptierte er schließlich. „Wir sind froh, dass wir diese lange Phase finanziell und mental überstanden haben“, erklärte Morenz. Insgesamt kostete das Projekt eine höhere siebenstellige Summe, Träger ist die Heilsarmee.

Für die Gestaltung des Speichers ließ sich das Paar von verschiedenen Museen und Grabkulturen inspirieren. Fachlich beraten wurden sie von der Theologischen Fakultät in Rostock. Auch von Besucherinnen und Besuchern lassen sich die beiden gelegentlich beflügeln. So führten sie vor einigen Monaten eine betagte Lübecker Ärztin durch „Die Eiche“. Keck fragte sie Michael Angern, ob es auch eine Geisterstunde gebe. Seitdem leuchtet jede Nacht zwischen 0 und 1 Uhr ein kleines Licht in der Halle des Kolumbariums und eine leise Melodie ertönt. Die Ärztin wurde inzwischen in der „Eiche“ bestattet.