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Lob der Gelassenheit

Köln – Der Psychologe Peter Groß rät zu mehr Gelassenheit in der Weihnachtszeit. Die Suche nach Geschenken und die hohen Erwartungen an ein harmonisches Zusammensein an den Festtagen setzten viele Menschen enorm unter Druck, sagte Groß in einem Interview. Er riet zum Maßhalten bei der Bescherung. Eine vereinbarte Obergrenze bei Geschenken könne beispielsweise ein „Wettrennen um die spektakulärste Bescherung“ stoppen.
Anstatt „wie ein Idiot suchend durch Kaufhäuser zu rennen“, schlug der Psychologe vor, alte Rituale wiederzubeleben, etwa gemeinsam einen Adventskranz zu basteln und die Kerzen später zusammen zu entzünden. Erlaubt sei alles, „solange kein neuer Druck entsteht“, betonte Groß. Würden die Kinder unterm Christbaum gern Gedichte aufsagen, sei das in Ordnung. „Aber wenn die Hausmusik-Nummer mit Flöte und Violine quält, sollte man sie streichen.“
Die These, wonach Smartphones und soziale Netzwerke zusätzlichen Stress verursachen, weil sie den Druck erhöhen, sich zum Jahresende bei Freunden und Bekannten zu melden, wies der Experte zurück. „Die Generation Handy erlebt das ja eh jeden Tag.“ Früher habe ja auch das Erledigen der obligatorischen Weihnachtspost das Zeitbudget belastet.
Gerade Familien sind nach Angaben des Psychologen in der Weihnachtszeit besonderen Belastungen ausgesetzt. „Auf engstem Raum ist man mehrere Tage zusammen, da entladen sich nicht selten alte Konflikte.“ Der Weihnachts-Stress sei neben dem Lichtmangel mit ein Grund für den steigenden Bedarf an psychologischer Beratung im Dezember und Januar, sagte Groß. „Das ist ein jahrelanger Erfahrungswert.“
Im Extremfall rate er, komplett auf das Weihnachtsfest zu verzichten und auf Reisen zu gehen, so Groß. „Das kann gerade bei Menschen hilfreich sein, die ihren Partner kurz vorher verloren haben und die in der gewohnten Umgebung in ein Loch fallen.“ Paradoxerweise erinnerten sich viele Betroffene in solchen Situationen hauptsächlich an die schönen Seiten des Festes. „Der damals erlebte Stress spielt plötzlich keine Rolle mehr.“ KNA