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Letzte Ruhe in Zermatt

Auf den beiden Friedhöfen in Zermatt liegen so manche verunglückte Bergsteiger begraben. Die meisten Toten forderte das Matterhorn, das vor 150 Jahren erstmals bezwungen wurde

Lukasz Janyst - Fotolia

Nicht nur die Namen der Hotels in Zermatt nehmen Bezug auf die umliegenden Berge. Auch auf dem Bergsteigerfriedhof in Zermatt sind Weißhorn, Obergabelhorn, Pollux, Monte Rosa oder Breithorn vertreten. Grabsteine erzählen von den Dramen, die sich auf den Viertausendern rings um das schweizerische Alpendorf abgespielt haben. Auf den Friedhöfen bei der katholischen und bei der anglikanischen Kirche in Zermatt liegen einige der Toten, die in den Bergen abstürzten und deren sterbliche Überreste nicht in ihre Heimat überführt wurden.

Pfarrer haben weniger mit Bergunglücken zu tun

Ein Name findet sich dort besonders häufig: der des Matterhorns. Seit dessen Erstbesteigung vor 150 Jahren, im Juli 1865, sind auf diesem Berg mehr als 500 Menschen zu Tode gekommen. Die Bergsteiger stammten aus Sofia, New York, Warschau oder Düsseldorf. Der Arzt Lothar B. Braum reiste mit seiner 27-jährigen Frau Anni Marschner aus Wien an. Beide stürzten während ihrer Flitterwochentour 1924 am „Horu“ ab. Zu zweit scheiterten auch Victor de Beauclair und Irmgard Schiess aus Freiburg 1929 am Berg. Die 30-jährige Maria Markl fand 1953 am Matterhorn den Tod. Am gleichen Berg verlor Freda Currant 1936 ihr Leben.
Heute wird der Zermatter Pfarrer Stefan Roth kaum noch gerufen, wenn am Matterhorn jemand tödlich verunglückt. Vor zehn Jahren war das noch anders. Roth führt diesen Rückgang unter anderem auf zwei Gründe zurück. Die Bergsteiger seien heute weniger religiös. Und die Bergrettung trage dazu bei, dass die Leichen der abgestürzten Bergsteiger per Helikopter zur Identifizierung sehr schnell in die Spitäler im Walliser Haupttal überführt würden.
Er selber sei noch nie an einer Stelle gewesen, wo die Überreste Abgestürzter eingesammelt wur-den, sagt Roth. Mit den Toten von den Bergen kommt der Pfarrer jedoch in Berührung, wenn Ange-hörige nach Zermatt reisen und eine Trauerfeier wünschen. Auch Bergsteiger hat er beerdigt, aber noch nie einen, der am Matterhorn abstürzte, wie er sagt.

Erinnerung an die Opfer der Erstbesteigung

Trotzdem: Der berühmte Gipfel beschert dem Geistlichen gerade in diesen Tagen eine Menge Arbeit. So wurde kürzlich auf dem Bergsteigerfriedhof das „Grab des unbekannten Bergsteigers“ eingeweiht. Außerdem fand in Zermatt ein ökumenischer Gottesdienst in „Erinnerung an die Erstbesteigung und an die Opfer“ statt. Die Geschichte der anglikanischen Kirche ist eng verknüpft mit den Erstbezwingern um Edward Whymper und deren britischen Nachfolgern.
Mehrere Tage wurde der Toten gedacht, die Zermatter bestanden darauf, die eigentlichen Jubiläumsfeierlichkeiten mit einem Gottesdienst zu beginnen. Am 14. Juli, dem Jahrestag der Erstbesteigung, wurde am Matterhorn in Anwesenheit von Pfarrer Roth die neue „Hörnlihütte“ eingeweiht. Von dieser Hütte aus startet der größte Teil der Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die den Gipfel erklimmen wollen. Doch in diesem Jahr war die Tour am 14. Juli verboten. Aus Ehrfurcht vor den vier Männern aus Whympers Seilschaft, die beim Abstieg in die Tiefe stürzten – und allen Toten, die der Berg seither forderte.