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Lenbachhaus zeigt Werkschau zu französischem Maler Auguste Herbin

Immer wieder neue Formen probierte der Maler Auguste Herbin aus. Dabei setzte er stets auf kräftige Farben und schuf dafür ein eigenes Alphabet. Ein Überblick über sein Schaffen ist jetzt in München zu sehen.

Er gilt als ein Pionier der Moderne und als einer der Begründer der Abstraktion in Frankreich: Auguste Herbin (1882-1960). Doch auch in Deutschland werden die Werke des Malers bis heute gern gezeigt und gesammelt. Schließlich war er ein Zeitgenosse der Künstlergruppe “Der Blaue Reiter”. Hierzulande wurde Herbin schon 1907 ausgestellt, 1948 erstmals auch im Münchner Lenbachhaus. Deshalb passe auch jetzt die aktuelle Werkschau, die bis 19. Oktober dort zu sehen ist, perfekt hierher, wie Direktor Matthias Mühling findet.

Zu sehen sind 46 bedeutende Werke Herbins, die verschiedene Leihgeber zur Verfügung gestellt haben. Sie geben einen Überblick über zentrale Stationen in seinem Schaffen. Dazu kommt eine umfangreiche Dokumentation zum Werdegang. Dieser ist künstlerisch höchst spannend und vielschichtig. Denn Herbin probierte immer wieder neue Formensprachen aus. Die einzige Konstante in seinem Werk – und von Anfang an klar erkennbar: die starken, leuchtenden und harmonischen Farben in allen seinen Gemälden.

Geboren in einem kleinen Ort an der franözisch-belgischen Grenze zog Herbin 1901 nach Paris und begann zu malen: Spät-impressionistische Landschaften, Stillleben und Porträts, darunter auch eines vom Münchner Anarchisten und Schriftsteller Erich Mühsam sowie ein Selbstbildnis. Immer gut über die neuesten Trends informiert, schuf er später “wilde” Bilder wie die Vertreter des neuen Kunststils der “Fauves” (“wilde Tiere”), die ganz neu mit Farbe und Raum umgingen. 1908 erstellte Herbin erste kubistische Bilder und zählt damit zu den Erfindern dieser Bildsprache. Sein Kubismus ist aber – im Gegensatz zu dem von Picasso und Braque – starkfarbig.

Herbin malte in unterschiedlichen Gegenden Frankreichs, von der belgischen Grenze bis zur spanischen, sowie im belgischen Brügge, im Hamburger Hafen und auf Korsika. Jeder neue Ortswechsel brachte neue Formen mit sich und löste Veränderungen in seiner Bildsprache aus. Erst als er sich in den 1930er-Jahren endgültig auf die abstrakte Kunst verlegte, blieb er in Paris.

Vielleicht angeregt durch seine Entwürfe für Tarnmuster von Flugzeugen während des Ersten Weltkriegs, entwickelte er für große Holzobjekte völlig abstrakte, geometrische Formen. Diese verstand der Maler als monumentale “Kunst für alle”. Anschließend schuf er gegenständliche, magisch-realistische Bilder – im Sinne einer Metamorphose des Alten ins Neue. Nach wenigen Jahren kehrte Herbin 1927 dann endgültig zur abstrakten Malerei zurück, mit runden Formen, Voluten, Spiralen und geschwungenen Linien. Für ihn war die Abstraktion am besten geeignet, das Bewusstsein der Betrachtenden zu erweitern und zu befreien.

Die abstrakte Kunst förderte Herbin auch als Organisator von Ausstellungen und Künstler-Gruppierungen. Denn er war zutiefst überzeugt, dass Kunst immer eine moralische Verpflichtung habe. In den späten 1930er-Jahren beschäftigte er sich verstärkt mit Farbtheorien, speziell mit Goethes anthroposophischer Farblehre. Dessen Denken verstand er als im Einklang mit den universellen Gesetzen. Herbin ging von einer geistigen Wirklichkeit aus, die sich für ihn am besten über die Farbe vermitteln ließ, die in der Fläche wirkt. Gemalte Volumen stellten für ihn dagegen Materie dar.

Daraus entwickelte der Künstler 1942 sein “alphabet plastique”, ein Regelwerk der Entsprechungen von reinen Farbtönen und geometrischen Formen, Musiknoten und Buchstaben. Jedem Buchstaben von A bis Z ist dabei ein Farbton zugeordnet, eine bis vier Formen und ein bis sieben Töne. Bis zu seinem Lebensende nutzte Herbin dieses System. Denn nach seinem Verständnis ermöglicht erst die Regelhaftigkeit eine künstlerische Freiheit. Nach 1945 wurde Herbin Vorbild für die Vertreter der konkreten und kinetischen Kunst sowie der Op-Art. Drei Mal war er bei “documenta” in Kassel zu sehen – 1955 und 1959 noch zu Lebzeiten und 1972 posthum.