Wie passen Klimaschutz, Artenvielfalt und Ernährungssicherheit zusammen? Sind nur Ökobauern gute Bauern? Eine Tagung der Katholischen Landvolkbewegung suchte nach Antworten – im Gewächshaus und bei der Wissenschaft.
Im Gewächshaus sind es feucht-schwüle 30 Grad. Genau, wie es der üppig wachsende Rhabarber liebt. Landwirt Joel Siegel – grünes T-Shirt, blaue Arbeitshose – erklärt die Feinheiten des biodynamischen Anbaus, spricht über Bodenaufbau und wie er Schüler einlädt, damit die zum ersten Mal erfahren, wie Erdbeeren wachsen. Dann spannt er den Bogen zu Grundsatzfragen nach Ernährungssicherheit, Klimawandel und zur Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland:
“Wenn unsere Kosten weiter mit dieser Dynamik steigen wie gerade, und der Markt die Verbraucherpreise weiter so extrem drückt, dann wird die Landwirtschaft in Deutschland nicht überleben”, sagt der Gemüse- und Obstbauer aus Mengen bei Freiburg. Die Hofbesucher der Expertentagung des Katholischen Landvolkbewegung (KLB) blicken auf, und beginnen über Probleme und Auswege zu diskutieren.
Was muss eine Stange Rhabarber, eine Schale Erdbeeren oder ein Salat kosten, damit der Landwirt davon leben kann? Was können Verbraucher tun? Und wie können Artenvielfalt, Klimaschutz und Ernährungssicherheit zusammengehen? Klar ist, dass Ökoanbau allein den Hunger der Welt nicht stillen kann. Und es niemandem hilft, konventionell wirtschaftende Bauern zu verteufeln.
Landwirt Siegel kritisiert, dass diese Fragen politisch zu wenig Aufmerksamkeit fänden. “Die Gesellschaft bestimmt, wie wir Tiere halten und wie wir wirtschaften, nicht die Landwirte allein.”
Landvolk-Geschäftsführerin Bettina Locklair ergänzt: “Es ist schwierig geworden, sich unideologisch über die Zukunft der Landwirtschaft auszutauschen. Die Debatten werden schnell hochemotional und unsachlich, wenn es um Bio gegen Konventionell oder Vegetarier gegen Fleischesser geht.” Gerade deshalb sollten die Kirchen hier geschützte Gesprächsräume öffnen, rät Locklair. Die Freiburger Expertentagung am 14. und 15. April ist so ein Versuch.
Einen thematischen Anstoß gibt der Münchner Biologe und Wirtschaftswissenschaftler Stefan Einsiedel. Er hat am jüngsten – von Landwirtschaftsverbänden heftig kritisierten – Expertenpapier der katholischen Kirche zu Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität mitgearbeitet. Und fordert eine neue Agrarpolitik.
“Wir müssen weg von Agrarsubventionen, die sich allein an der Größe der Flächen orientieren. Wir brauchen höhere Preise für Lebensmittel und eine faire Bezahlung der gemeinwohlorientierten Dienstleistungen der Landwirte”, fordert Einsiedel.
Beispielsweise sollten Bauern dafür bezahlt werden, dass sie klimaschädliches CO2 auf ihren Flächen binden, etwa durch den Aufbau von Humus. Böden müssten als wertvolles Naturkapital anerkannt werden. Und Bauern müssten, so Einsiedel, für ihr Engagement für Artenvielfalt oder Wasserschutz honoriert werden. “Die Landwirtschaft sollte auch Teil des CO2-Zertifikathandels werden. Das könnte für sie eine relevante Einkommensquelle werden.”
Den Blick auf die Kirchen in Deutschland als Eigentümerin und Verpächterin von landwirtschaftlichen Nutzflächen wirft der Münsteraner Theologe Johann Heinrich Verhoeven. Rund eine halbe Million Hektar Äcker und Wiesen gehören der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland. Historisch gewachsen aus Besitzungen von Pfarreien und Klöstern. Das sind etwa drei Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland.
“Die Kirchen können ihre Pächter dabei unterstützen, den häufig empfundenen Gegensatz zwischen Ökologie und Wirtschaftlichkeit zu überwinden”, sagt Verhoeven. Allerdings solle niemand versuchen, überheblich Vorgaben zu machen, wie Land bewirtschaftet werden soll. Es sei eine gesamtgesellschaftliche – und damit auch kirchliche – Aufgabe, für eine angemessene Bezahlung der Landwirte einzutreten.
Wie das konkret funktionieren kann, zeigt die Vorständin der Stiftungen der Erzdiözese Freiburg, Dana Mebus. Die kirchlichen Stiftungen (mit einem Gesamtvermögen von 1,4 Milliarden Euro) besitzen auch 8.200 Grundstücke, die sie an Landwirte verpachten. Wer Kriterien wie Tierwohl oder ökologische Bewirtschaftung erfüllt, hat bessere Chancen, den Zuschlag bei einer Neuverpachtung zu erhalten. Zugleich unterstützt die Stiftung Bauern bei der Förderung von Biodiversität: von Fledermausschutz bis zum Anlegen von Feuchtbiotopen.
Landwirt Bernd Kiechle, der den Tagungsteilnehmern ebenfalls seinen Betrieb zeigt, hat eine klare Empfehlung. “Wer etwas für Artenvielfalt und Umwelt tun will, sollte an Biolandwirte verpachten.” Kiechle hat mit der Erzeugung und Selbstvermarktung von Spargel, Äpfeln und Sommergemüse auf dem Freiburger Münstermarkt eine erfolgreiche Nische gefunden.