Wie es in Nahost weitergeht, kann in diesen Tagen niemand zuverlässig vorhersagen. Aber erstmals seit mehr als einem Jahr gibt es wieder verhaltene Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
Die Zukunft der Nahostregion ist so schwer vorherzusehen wie lange nicht mehr. Die Risiken durch Machtkämpfe und weitere Gewalt bleiben bestehen – trotz Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon und positiven Signalen zu einem bevorstehenden Geiseldeal mit der Hamas im Gazastreifen. Unklar ist auch, wie sich das Ende der Assad-Herrschaft in Syrien mittel- und langfristig auswirkt. Nicht zuletzt Christen trifft die Ungewissheit und verstärkt Gedanken an Abwanderung. Dennoch: Erstmals seit dem Angriff von Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 ist zum Jahreswechsel ein gewisses Maß an Zuversicht zu spüren.
Die Entwicklungen an der israelischen Nordgrenze und in Syrien stimmten ihn hoffnungsvoll, sagt der Jerusalemer Reiseleiter Benayah Blum der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Für konkrete Veränderungen in der Tourismusbranche sei es aber noch zu früh: “Tourismus, im Gegensatz zur Börse, reagiert langsam.” Seine Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Landesteilen stimmen zu. Bis Ostern angekündigte Gruppen hätten bereits vor längerer Zeit storniert, neue Anfragen gebe es noch nicht, sagen sie. Neben anhaltend hohen Flugpreisen und erschwerten Vorbereitungen etwa bei Gruppenreisen sei auch zu spüren, dass die Sympathien für Israel derzeit bei manchen potenziellen Kunden nicht allzu hoch seien.
Nach Weihnachten wieder öffnen will indes das Gästehaus des “Deutschen Vereins vom Heiligen Lande” in Tabgha, das im September vorübergehend geschlossen wurde. Auch wenn die Zukunft der Region so schwer vorherzusehen sei wie selten, gebe es Hoffnung auf eine Beruhigung an allen Fronten, meint Hausleiter Georg Röwekamp. Die Öffnung der grenznahen israelischen Nationalparks und das Anziehen der Hotelpreise in nördlichen Landesteilen seien gute Vorzeichen.
Ein Wiederbeginn des (Pilger-)Tourismus wäre nicht zuletzt für die Christen eine Hilfe – darin sind sich viele christliche Vertreter einig. Bei ihnen hat die angespannte Lage den Gedanken an Abwanderung gefördert. Die Zahl jener steigt, die ihn in die Tat umsetzen. Groß sei die Gefahr, “dass die Christen unter die Räder der großen und mächtigen Player und der Bevölkerungsmehrheiten geraten”, sagt der Abt der deutschsprachigen Benediktiner im Heiligen Land, Nikodemus Schnabel. Er wünscht sich von Christen weltweit die Übernahme einer ideellen und finanziellen Verantwortung “für die Wiege ihres Glaubens” – so wie es Juden für Israel und Muslime für Palästina täten.
Ob Syrien, Libanon, Israel, Palästina, Iran oder andere Länder der Region: Für Schnabel haben die Christen in diesen Gebieten etwas gemeinsam, das zugleich Schwäche und Stärke sei. “Sie sind in allen Ländern des Nahen Ostens eine Minderheit, aber sie gehören überall dazu, sind überall Teil der Bürgerschaft – und das in sehr diverser und bunter Form.” Der deutsche Benediktiner warnt davor, sich vor den Karren der Politik spannen zu lassen. Der große Beitrag, den Christen in der aktuellen Lage leisten könnten, bestehe darin, auf die Würde eines jeden Menschen hinzuweisen, “ob Freund oder Feind, ob aus der eigenen Religion oder einer fremden”.
Die gesamte Region stehe vor einer großen Aufgabe, sagt Gästehaus-Leiter Röwekamp. Die Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen seien noch größer geworden, der Wiederaufbau von Vertrauen werde sehr lange dauern. Es sei gut, dass sich die Kirchen für einen Weg der Verständigung einsetzten. Allein lösen könnten sie diese schwierige Aufgabe jedoch nicht.
Wenn Christen im Heiligen Land dächten, sie müssten den Nahostkonflikt politisch lösen, würden sie sich überfordern, meint auch Schnabel. “Es wäre aber auch eine moralische Anspruchslosigkeit, sich in Selbstmitleid zurückzuziehen.” Wenn es ihnen gelinge, mutig als Getaufte über gesellschaftliche Barrieren hinweg zusammenzustehen, könnten sie “im besten Sinne prophetisch für diese Region” sein, so der Ordensmann. “Dann ist mir nicht bange um die Zukunft der Christen hier.”