Politische Äußerungen sind für das britische Königshaus tabu. Deshalb ist die Bildsprache besonders entscheidend. Ein Berliner Kunsthistoriker über versteckte Botschaften hinter Schmuck und Mode.
Wie sah die Queen aus? Wer die Augen schließt und an Elizabeth II. denkt, stellt sie sich wahrscheinlich mit einem Kleid von intensiver Farbe, passendem Hut und dezentem Schmuck vor. Ein Bild, das nach Auffassung des Berliner Kunsthistorikers Simon Hofer nicht zufällig vor dem inneren Auge von wahrscheinlich Millionen von Menschen entsteht, wenn sie an die verstorbene englische Königin denken – sondern von ihrer Beraterin Angela Kelly bewusst so kalkuliert wurde.
“Never complain, never explain”: Dieses Motto der britischen Königsfamilie – niemals klagen und sich niemals rechtfertigen – macht es schwierig, über Sprache Einfluss zu nehmen. Zudem sind die Royals in einer konstitutionellen Monarchie zu politischer Neutralität verpflichtet.
“Äußern dürfen die Royals sich zu politischen Ereignissen nicht – und deshalb kommunizieren sie über die Farbe ihrer Kleidung und ihren Schmuck”, ist der Kunsthistoriker überzeugt. “Sie wissen schließlich, dass sie fotografiert werden. Und damit spielen sie.”
Denn Bilder können ein positives Image vermitteln – und mitunter vielleicht auch eine politische Botschaft, wie seit Jahrhunderten üblich: “Das Pressebild hat das klassische Herrscherporträt abgelöst”, sagt Hofer.
Als Kind liebte er es, wie er sich erinnert, wenn seine Oma von ihren Schmuckstücken erzählte – von wem sie sie bekommen hatte, zu welchen Gelegenheiten sie sie geschenkt bekam. “Das war kein teurer Schmuck, aber für sie waren es Juwelen”, sagt der 44-Jährige. Vor rund 14 Jahren gründete er in Berlin einen Online-Shop für antiken Schmuck. Ihn interessieren die Geschichten hinter den Schmuckstücken. “Angefangen habe ich als Student auf dem Flohmarkt, habe alte, interessante Objekte entdeckt, versucht, etwas über sie herauszufinden – und sie dann mit dem Erkenntnisgewinn weiterzugeben.”
Daraus entstand sein Geschäft mit Antikschmuck. Liebhaber historischer Stücke werden bei ihm fündig. Und manches Objekt, das er in Auktionen aufspürt, vermitteln er und sein Team an bedeutende Museen. Antike Schmuckstücke – das seien für ihn “Zeitzeugen, die vom Leben, dem Geschmack und den Fähigkeiten vergangener Zeiten berichten”, sagt er.
Elizabeth II. kommunizierte vor allem über die Wahl ihrer Broschen zu den jeweiligen Ereignissen, so der Experte. Dass sie ihre Broschen an einem etwas unüblichen Platz trug, nämlich recht hoch unterhalb der linken Schulter, sei dem Umstand geschuldet, dass so das Schmuckstück auf möglichen Porträtfotos immer zu sehen sein sollte.
Zum Beispiel, als sie sich im Corona-Jahr 2020 im April mit einer Fernsehansprache an das britische Volk wandte und zum Durchhalten aufrief: Damals trug die Queen ein grünes Kleid – Grün gilt als Farbe der Hoffnung – und eine mit Diamanten besetzte Brosche mit einem großen Türkis in der Mitte; das Schmuckstück hatte einst ihre Großmutter Queen Mary besessen.
“Queen Mary trug diese Brosche nach dem Ersten Weltkrieg, als die Spanische Grippe ausgebrochen war”, sagt Hofer. Dem Türkis werde in der “gem lore”, der besonders im England des 19. Jahrhunderts populären Sprache der Edelsteine, zugeschrieben, Krankheiten abwehren zu können.
Bei ihrem Staatsbesuch in Deutschland 2015 trug die Queen eine Brosche mit großem Saphir und Diamanten, die der in Deutschland geborene Prinz Albert seiner Verlobten Queen Victoria schenkte. “Elizabeth II. wollte damit an ihre deutschen Wurzeln erinnern und so eine Verbindung herstellen”, so der Experte.
Ein blaues Kleid mit passendem Hut, geschmückt mit gelben Blumen, die subtil an die gelben Sterne auf dem blauem Grund der EU-Flagge erinnerten, war es bei der Queen’s Speech im Jahr 2017, die sie im britischen Parlament zu Beginn der Brexit-Verhandlungen hielt. Ob das indes als Statement gegen oder für den EU-Austritt zu werten war, bleibt Spekulation.
In der Deutungsoffenheit liege die Schlagkraft: “Die Royals stellen so sicher, dass man sich mit ihnen beschäftigt, dass sie von Interesse bleiben”, so Hofer.
Prinzessin Kate etwa habe versucht, mit ihrer Garderobe an ihre verstorbene Schwiegermutter Diana anzuknüpfen: “Sie ließ die Königin der Herzen visuell auferstehen”, sagt Hofer. Ob im weißen Pünktchenkleid zu Wimbledon oder im roten Mantel mit passendem Hut am Flughafen: Form und Farbe vieler Kleider sind teilweise so ähnlich, dass ein Zufall ausgeschlossen scheint. “Sie hat das Image von Diana als Mode-Ikone ganz bewusst auf sich übertragen.”
Auch die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin kommunizierte zeitweise über ihren Schmuck: So trug Angela Merkel beim TV-Duell zur Bundestagswahl 2013 eine schwarzrotgoldene Kette, die von Medien und Publikum schnell als “Deutschlandkette” begriffen wurde.
Beim wenig variierten Schnitt ihres Hosenanzugs mit farbigem Blazer, der einer Arbeitsuniform gleichkam, habe Merkel sich vielleicht an der Queen orientiert, so Hofer: Das Outfit habe eine hohe Wiedererkennbarkeit und erinnere stark an das sehr spezielle, gerade geschnittene Mantelkleid, das die Queen in diversen, sehr kräftigen Tönen, ergänzt mit passendem Hut und Schmuck, getragen habe.
Und was ist mit King Charles? Welche Möglichkeiten hat er, über Mode und Schmuck Geheimbotschaften zu senden? “Bei Männern ist das sehr viel schwieriger”, stellt Hofer fest. Donald Trump trete stets “als die personifizierten USA” in den Nationalfarben des Landes mit dunkelblauem Anzug, weißem Hemd und roter Krawatte auf. König Charles könne vielleicht, ganz subtil, über “die Wahl seiner Stoffe und dezente Schmuckstücke wie Krawattennadeln” kommunizieren.