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Kroatiens Präsident wegen angeblicher Russland-Nähe unter Beschuss

Wird Kroatiens Staatsoberhaupt von Russland finanziert? Vorwürfe wie dieser beherrschen derzeit die politische Debatte in dem Balkanstaat. Offenbar geht es aber auch um inneres Machtgerangel.

Der Präsident “primitiv” und “vulgär”, ein “kroatischer Donald Trump”, die Verantwortlichen im Parlament eine “korrupte Bande”. Solche Wortgefechte zwischen Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic und Staatspräsident Zoran Milanovic sorgten dieses Jahr selbst international für Schlagzeilen. Jetzt, zwei Monate vor der Präsidentenwahl, geht der Streit zwischen den Spitzenpolitikern in die nächste Runde.

Seit Tagen beherrschen die Anschuldigungen der Regierungspartei Kroatische Demokratische Union (HDZ) die Medienberichte in dem Balkanland: Milanovics Wahlkampfkampagne werde von niemand geringerem finanziert als der russischen Regierung. Der Präsident, der in den vergangenen Tagen durch seine Ukraine-kritische Haltung auffiel, sei eine “russische Marionette”. Auch das Sicherheitskomitee des Parlaments in Zagreb beschäftigte sich am Dienstag mit den Vorwürfen. Unterdessen titelte der regionale Nachrichtensender N1: “Ist Zoran Milanovic ein russischer Söldner?”

Die politische Lawine ins Rollen gebracht hat Kroatiens Außenminister Gordan Grlic Radman vergangene Woche. Er kritisierte Milanovics “klar pro-russische Haltung”. Das Parlament sollte erwägen, ihn vor der Wahl im Dezember abzusetzen, falls sich eine Finanzierung durch den Kreml bewahrheite. Auch HDZ-Präsidentschaftskandidat Dragan Primorac wittert eine neue Chance gegen den früheren Sozialdemokraten Milanovic: “Die Beweise werden gesammelt, das braucht Zeit. Aber ist sein Verhalten seit Beginn des Krieges in der Ukraine nicht merkwürdig?”

Milanovic geriet in Kroatien zuletzt durch seine Ankündigung in die Kritik, eine Entsendung kroatischer Soldaten zu einer NATO-Trainingsmission für die Ukraine verweigern zu wollen. Damit handelt er gegen die Plenkovic-Regierung. Unweigerlich wurde der Disput zwischen Präsident und Premier zum Thema beim Ukraine-Südosteuropa-Gipfel, der vor einer Woche in der kroatischen Hafenstadt Dubrovnik tagte.

In ihrer “Erklärung von Dubrovnik” bekunden die Staats- und Regierungschefs vom Balkan ihre Unterstützung für die “Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität” der Ukraine. Darüber hinaus sprachen sie sich für deren EU-Beitritt aus. Am Rande unterzeichneten Kroatien und Ukraine eine bilaterale Unterstützungsbekundung. Plenkovic sicherte Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere humanitäre, wirtschaftliche und militärische Hilfe zu.

Was die Vorwürfe gegen Milanovic angeht, ruderte Außenminister Grlic Radman am Montag zurück. Möglicherweise sei seine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen worden. Nichtsdestotrotz stehe für ihn fest, dass der kroatische Staatschef eine “Marionette” des Kremls sei. Mit Blick auf Milanovics Ukraine-Kurs kritisiert der Chefdiplomat: “Er hat nie Empathie für dieses Land gezeigt und die russische Aggression nie klar verurteilt.” Laut Ministerpräsident Plenkovic nutze Moskau Milanovic, um in der Region “Propaganda zu verbreiten”.

Milanovic versuchte in den vergangenen Tagen zu relativieren: Er veröffentlichte ein Video in sozialen Medien, in dem zu sehen ist, wie Außenminister Grlic Radman 2020 dessen russischen Amtskollegen Sergei Lawrow hofierte. Die Stimmung ist gelassen, Grlic Radman lobt Lawrows Begabung als Hobby-Poet.

Als “lächerlich” beurteilt ein Politik-Journalist in Zagreb auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) den Streit; er will anonym bleiben. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, wonach Milanovics Kampagne von ausländischen Akteuren finanziert werde, “geschweige denn von den Russen”. Senada Selo Sabic, Expertin am kroatischen Institut für Entwicklung und internationale Beziehungen, attestiert Milanovic zwar eine Ukraine-kritische Haltung. Die Achse Milanovic-Moskau hält die Politologin jedoch für fragwürdig: “Selbst wenn die Vorwürfe von der führenden Partei in Kroatien kommen – es ist nicht mehr als innenpolitisches Gezanke.”

Tatsächlich haben Plenkovic und Milanovic noch eine Rechnung offen. Das Verhältnis zwischen Ministerpräsident und Präsident ist seit längerem strapaziert. Eine Eskalation brachten die Parlamentswahlen im vergangenen April, bei denen Milanovic dem Ministerpräsidenten – letztendlich erfolglos – das Amt abspenstig machen wollte. Weil er sich weigerte, im Wahlkampf als Präsident zurückzutreten, führte er Kroatien an den Rand einer Verfassungskrise.