In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Straftaten erneut gestiegen – auch wenn die Zahlen zunächst das Gegenteil sagen. 2023 habe es mit 196.289 Straftaten zwar 24.894 Fälle weniger gegeben als 2022, erklärte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 in Kiel. Der Rückgang sei aber auf ein großes Betrugsverfahren in 2022 zurückzuführen, bei dem zahlreiche Menschen auf eine kostenpflichtige Online-Dating-Plattform reingefallen waren. Rechne man diesen Betrugsfall heraus, sei die Zahl der Straftaten 2023 um 8.844 Fälle gestiegen. Die Kriminalitätsrate ist damit die höchste seit 2016 (206.541 Fälle).
Die Aufklärungsquote sei mit 55,9 Prozent die höchste seit 1963, erklärte die Ministerin. Dass sie 2022 bei 61,1 Prozent lag, sei auch dem großen Betrugsverfahren geschuldet.
Sütterlin-Waack zeigte sich besorgt, dass die Anzahl der tatverdächtigen Kinder 2023 ein Zehnjahreshoch erreichte. Sie stieg im Vergleich zum Vorjahr um 326 auf 3.722 Tatverdächtige an. Auch die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) stieg um 645 Fälle auf 7.209 Tatverdächtige. Die Ministerin erklärte den Anstieg mit einem Nachholeffekt nach der Coronapandemie, in der die Teilnahme am sozialen Leben von Kindern und Jugendlichen massiv eingeschränkt war.
Auch die Zahl der Messerangriffe stieg im Vergleich zum Vorjahr um 148 Fälle. Von insgesamt 1.306 Opfern wurden neun getötet und 47 schwer verletzt. 285 Opfer wurden leicht verletzt. Zu den 1.057 Fällen wurden 962 Tatverdächtige erfasst, 59,6 Prozent mit deutscher Staatsangehörigkeit, entsprechend 40,4 Prozent mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit.
Die Polizeigewerkschaft (GdP) sieht in diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf und fordert Waffenverbotszonen, um eine „Messerkultur“ zu verhindern. „1.057 Einzelfälle bedeuten zirka drei Angriffe pro Tag allein in Schleswig-Holstein“, hieß es in einer Mitteilung der GdP. Die Opfer seien dem Angriff meist schutzlos ausgeliefert.
Diebstahl weise mit 36,6 Prozent nach wie vor den größten Anteil an der Gesamtkriminalität auf, erklärte der Leitende Kriminaldirektor Rolfpeter Ott. Die Fallzahlen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 4.676 Fälle auf 71.825 Fälle leicht an. Dies könne eventuell durch die Anstiege von Lebenshaltungskosten sowie die Knappheit von Ressourcen und Waren erklärt werden, sagte Ott.
Zudem stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche um 22,3 Prozent. Im Vergleich zu 2019 sei dieser Wert aber um 27 Prozent gesunken und immer noch weit weg vom Höchststand im Jahr 2015, so der Kriminaldirektor.
Bei der Rauschgiftkriminalität stellte Ott einen gegenteiligen Trend fest. Nach dem Anstieg zwischen 2012 und 2021 kam es im Jahr 2023 erneut zu einer Abnahme um 0,9 Prozent auf 10.976 Fälle. Cannabis-Verstöße sanken mit 6.992 Fällen erneut (2022: 7.495 Fälle; 2021: 7.885 Fälle).
Eine Steigerung gab es auch bei den sogenannten Enkeltricks und Schockanrufen, die meist auf das Ersparte von Seniorinnen und Senioren zielen. Im Jahr 2023 wurden 27.518 Fälle erfasst und damit 9,1 Prozent mehr als 2022.