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Kreuzfahrt-Urlauber: Auch Sorgen im Koffer

Pfarrerin Katharina Plehn-Martins über ihre Erfahrungen als Bordseelsorgerin

rbb

Auf Kreuzfahrtschiffen ist nicht nur Entertainment, sondern oft auch Seelsorge gefragt. „Die Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff haben neben ihren Reiseutensilien auch ihre Probleme im Gepäck“, sagt Bordseelsorgerin Katharina Plehn-Martins. Die Sorgen holten die Reisenden „in entspannten Urlaubssituationen oft mit voller Wucht ein“. Etablierte Kreuzfahrt-Reedereien wie Hapag-Lloyd oder das Unternehmen Phönix-Reisen nähmen daher neben Musikern und Schauspielern auch Bordseelsorger mit aufs Schiff. Sie kümmerten sich etwa in Fällen von Einsamkeit und Trauer, wenn Menschen alleine reisten, weil der Partner gestorben sei.

Musiker, Schauspieler, Bordseelsorger

Oft finden nach Worten der Seelsorgerin einsame Menschen auf den Schiffen nicht die Kontakte, die sie suchen. „Ich erinnere mich an eine alte Dame. Sie hat die Einsamkeit nicht mehr ertragen“, erzählt Plehn-Martins, „sie ist immer trauriger geworden“. Die pensionierte Pfarrerin aus Berlin hat daraufhin viele Gespräche mit der Frau geführt und sie zusammen mit den Hostessen zu den Mahlzeiten und den Landgängen begleitet. „Am Ende war es für sie eine richtig gute Reise“, sagt die Pfarrerin.
Neben Seelsorge für Reisende gehören Gottesdienste und Andachten, Begleitung von Landgängen und Vorträge zu religiösen Themen (in der Agäis etwa über die orthodoxe Kirche) zum Aufgabenspektrum der Geistlichen, sagt Plehn-Martins. Auch mit der Crew kommen Bord-Seelsorger in Kontakt. Mit philippinischen Crewmitgliedern hat Plehn-Martins über die Arbeitsbedingungen auf den Schiffen gesprochen und war überrascht: Diese seien nicht überall schlecht. „Das ist ein beliebtes Vorurteil“, sagt die Pfarrerin. Es komme immer auf die Reederei und das Schiff an. Die 68-Jährige wird im September zum dritten Mal in See stechen. Mit der „MS Europa“ der Reederei Hapag-Lloyd geht es dann in die Ostsee.
Plehn-Martins gehört zum Pool der Bord-Seelsorger der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). 140 Pfarrerinnen und Pfarrer stehen jedes Jahr bereit, an Bord zu gehen. Von der arktischen Natur Spitzbergens bis zum Kap Horn: Auf rund 60 Reisen jährlich ist eine Pfarrerin oder ein Pfarrer dabei. Die Theologen arbeiten ehrenamtlich. Kabine und Verpflegung würden von den Reedereien gestellt.

Pfingsten mit philippinischer Crew

Ein besonders schönes Erlebnis für die Pfarrerin war ein mitternächtlicher Pfingstgottesdienst (nach Dienstende) mit philippinischen Crewmitgliedern irgendwo im Mittelmeer. Der Bordpianist begleitete die Feier musikalisch und hatte extra englische Pfingstlieder gelernt und zum Schluss habe er für die jungen Leute ein Lied von Stevie Wonder gespielt. „Am nächsten Tag hatte ich dann ganz viele neue Freunde unter den Philippinos. Sie haben mir viel von ihren Familien und Arbeitsbedingungen erzählt“, berichtet die Berlinerin.
Bordseelsorger stehen in einer langen Tradition: Schon zur Zeit der Hanse gab es Schiffsprediger an Bord: Sie sollten Morgen- und Abendgebete halten und religiösen Unterricht erteilen. Die Gefahren waren allgegenwärtig. In späterer Zeit verbreitete sich der Begriff der „Christlichen Seefahrt“ (Mitte des 17. Jahrhunderts). Er stand umgangssprachlich für die gesamte Handelsschifffahrt. epd