Die Krankenhausreform war von Anfang an ein Zankapfel. Und ist es geblieben. Am Freitag entscheidet der Bundesrat, wie und ob es nach dem Bruch der Ampel weitergeht. Die Länder können das Großprojekt noch ausbremsen.
Die Krankenhausreform steht auf der Kippe: Der Bundesrat entscheidet am Freitag, ob er dazu den Vermittlungsausschuss anruft oder das Gesetz billigt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gibt einen Überblick.
Bislang gibt es in Deutschland rund 1.900 Krankenhäuser – nach internationalen Vergleichswerten viel zu viele. Zugleich bestehen in einigen, insbesondere ländlichen Regionen Versorgungslücken, während es in großen Städten ein Überangebot gibt. Es fehlt an Personal, Betten stehen leer, und die Kosten steigen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet im laufenden Jahr ein Defizit der Kliniken von sechs Milliarden Euro. Etwa 30 Prozent der Kliniken schreiben rote Zahlen.
Bei einem kürzlich veröffentlichten OECD-Report liegt das deutsche Gesundheitswesen bei den Ausgaben weit vorn im EU-Vergleich. Bei der Versorgung gibt es allerdings deutliche Mängel. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fordert deshalb eine Spezialisierung der Krankenhäuser. Nicht jedes Haus soll alles machen dürfen. “Die Prognose für viele Krebspatienten, auch für viele Patienten mit großen Herzoperationen wäre dann besser.”
Das bestehende Vergütungssystem in Krankenhäusern mit festen Fallpauschalen pro Eingriff begünstigt Kliniken, die viele teure Behandlungen durchführen, die medizinisch möglicherweise nicht nötig sind. So gibt es in Deutschland weit mehr Knie- und Hüftoperationen als in anderen Ländern. Andererseits führt das Vergütungssystem dazu, dass sich Bereiche wie Geburtsstationen, Kinder- und Jugendmedizin wegen geringer Fallzahlen und hoher Vorhaltekosten nicht tragen.
Kernstück der Krankenhausreform ist ein neues Vergütungssystem. Es soll die Kliniken von ihrem ökonomischen Druck befreien. Dazu sollen die Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken für das Vorhalten von Leistungen bekommen. Dazu zählen das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. Kritiker sagen jedoch, dass allein das Beibehalten der Fallpauschalen weiter Fehlanreize setzt.
Kritiker werfen dem Bundesgesundheitsministerium vor, die Krankenhausplanung durch die Zuweisung von Leistungsgruppen an sich zu ziehen und zu zentralisieren, obwohl dafür die Bundesländer zuständig seien. Die Länder befürchten Klinikschließungen insbesondere auf dem Land.
Nein. Krankenhäuser müssen für die von ihnen angebotenen Behandlungen künftig das notwendige Personal, eine angemessene medizinische Erfahrung und die entsprechende Technik vorweisen. Dazu werden ihnen von den Behörden ja nach Klinik unterschiedliche Leistungsgruppen wie etwa Herzchirurgie, Leukämie oder Darmtransplantation zugewiesen. Das dürfte die Zahl der Kliniken verringern und für mehr große spezialisierte Kliniken sorgen. Zugleich soll für Stationen für Kindermedizin, Geburtshilfe, Schlaganfall und Intensivmedizin mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.
Hier besteht – vor allem bei Flächenländern wie Brandenburg – die Sorge, dass zahlreiche kleinere Krankenhäuser geschlossen werden. Dadurch könnten sich die Gesundheitsversorgung und die Hilfe im Notfall verschlechtern; die Menschen müssten weitere Wege in Kauf nehmen. Allerdings sieht die Reform vor, dass bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land für die medizinische Grundversorgung erhalten bleiben. Dazu sollen sie jährliche Förderbeträge erhalten. Bestehende Kliniken können demnach auch in “sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen” umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen.
Für die Umsetzung der Reform, etwa die Umgestaltung der Krankenhäuser, soll es einen Transformationsfonds mit einem auf zehn Jahre berechneten Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro geben. Er soll je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden. Der Bund will seinen Anteil jedoch – wegen knapper Kassen – aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen finanzieren – inklusive Beteiligung der privaten Kassen. Sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Kassen halten dieses Finanzierungsmodell für verfassungswidrig, sie könnten klagen. Auch der Bundesrechnungshof hat Einwände. Die Organisation der Gesundheitsversorgung sei staatliche Pflichtaufgabe und Sache der Steuerzahler, nicht der Beitragszahler.
Die Reform ist zwar vom Bundestag bereits beschlossen, aber mehrere Länder haben Widerstand angekündigt. Lauterbach versucht weiterhin, in Gesprächen mit Ländervertretern eine Zustimmung zu erreichen. Sollte die Länderkammer den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen, könnte es das Aus für das Großprojekt bedeuten, weil Bundesrat und Bundestag einem veränderten Gesetzentwurf noch einmal zustimmen müssten. Das dürfte allerdings schwierig werden, weil Rot-Grün keine Mehrheit hat und die Union erneut gegen die Reform stimmen will. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass die Reform auch nach einem Vermittlungsverfahren noch Gesetz werden könnte.