Predigttext
26 Blickt nach oben und seht: Wer hat diese geschaffen? Er, der ihr Heer hervortreten lässt, abgezählt, sie alle ruft er mit Namen herbei. Der Fülle an Kraft wegen, und weil er vor Kraft strotzt, geht kein Einziger verloren. 27 Warum, Jakob, sagst du, und, Israel, warum sprichst du: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht entgeht meinem Gott? 28 Hast du es nicht erkannt, hast du es nicht gehört: Ein ewiger Gott ist der Herr, der die Enden der Erde geschaffen hat! Er ermattet nicht und wird nicht müde, seine Einsicht ist unerforschlich. 29 Dem Ermatteten gibt er Kraft, und wo keine Kraft ist, gibt er große Stärke. 30 Und junge Männer ermatten und werden müde, Männer straucheln unvermeidlich. 31 Die aber, die auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Schwingen, sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und ermatten nicht. (Übersetzung: Zürcher Bibel)
Wie schnell ändert sich die Welt! Mittlerweile liegen fünf Wochen hinter uns, die noch vor zwei Monaten unvorstellbar gewesen wären. Ein Ausnahmezustand, der sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens vor Herausforderungen stellt. Ängste um die eigene und die Gesundheit anderer sind zu spüren, aber auch Befürchtungen um das schlichte wirtschaftliche Überleben.
Und nun befinden wir uns am Sonntag nach Ostern. Eigentlich sollte dies der letzte Tag des Ausnahmezustandes sein. So wurde es zumindest für Nordrhein-Westfalen am 13. März verkündet. Nach dem 19. April sollten Schulen, Kitas und andere Behörden wieder geöffnet werden. Auch die Feier öffentlicher Gottesdienste sollte wieder möglich sein. Doch zum Zeitpunkt des Abfassens dieser Zeilen erscheint dies eher unwahrscheinlich. Die vergangenen Tage und Wochen lassen vielmehr darauf schließen, dass die einschränkenden Maßnahmen verlängert werden. Und selbst wenn nicht: Die Krise ist lange noch nicht ausgestanden. Sie wird uns noch einige Zeit herausfordern. Im schönsten Frühlingserwachen verdunkelt die Corona-Nacht unser Leben.
Bitterste Nacht für das Volk Israel
Nacht! Bitterste Nacht war es auch für das Volk Israel, als es vor mehr als 2500 Jahren im babylonischen Exil war. Weit weg von der Heimat, unterjocht von einer fremden Weltmacht. Überhaupt lag die Heimat in Trümmern: Jerusalem und der Tempel waren zerstört. Die Lage im Exil erschien ausweglos. In diese Situation hinein wird ein Nachfolger des Propheten Jesaja nun von einem göttlichen Wort inspiriert. Einem Wort, das eine Perspektive der Hoffnung bereithält.
Eingeleitet wird diese Botschaft mit dem 40. Kapitel des Jesajabuches, zu dem auch der abgedruckte Predigttext gehört. Dort heißt es zu Beginn: „Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass ihr Frondienst vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist.“ Die Nacht des Exils ist vorbei, die Zeit der Unterdrückung ist zu Ende. Zum Verzagen besteht kein Anlass mehr, wie Vers 27 andeutet, sondern zur Hoffnung. Gott erweist sich in tiefster Not als Tröster, der in seiner stärkenden Schöpfermacht die „Ermattung“ beendet (Verse 28-31). Gott vertreibt die Dunkelheit der Nacht und lässt einen neuen lichten Tag anbrechen.
Diese Erfahrung aus dem Prophetenbuch erinnert an die zentrale Aussage des Osterfestes: Gott hat Christus aus der Dunkelheit des Todes auferweckt, zu einem neuen Leben im Licht. Ein neues, ja ewiges Leben, in das Gott uns – Sie und mich – miteinschließt. Diese Osterhoffnung begleitet Christinnen und Christen seit gut 2000 Jahren. Sie steht über all den Schrecknissen, die seitdem auf dieser Welt geschehen sind. Sie tröstet und ermutigt zu einem Leben in der Zukunft Gottes – damals und heute. Ähnlich wie das Jesajabuch verkündet die Osterbotschaft: Gottes Geschichte mit dieser Welt und mit uns geht weiter. Allen Widerständen zum Trotz hält Gott die Welt und uns in seinen Händen.