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Kommunikationsexperte erklärt das “Phänomen” BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist der Newcomer in der Parteienlandschaft. Die Gründerin und Namensgeberin gilt als Politprofi. Womit kann das BSW punkten und wie verhält es sich zur AfD?

Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand zweistellige Ergebnisse einfahren und in Regierungsverantwortung kommen. Der Experte für Politikkommunikation, Christian P. Hoffmann, erklärte am Mittwoch im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) das Phänomen. Die AfD spielt laut dem Professor für Kommunikationsmanagement an der Uni Leipzig dabei eine wesentliche Rolle.

KNA: Herr Professor Hoffmann, wie erklären Sie die sehr rasch hohen Zustimmungswerte in Wahlumfragen für das Bündnis Sahra Wagenknecht?

Hoffmann: Das BSW profitiert in erster Linie von seiner Namensgeberin und deren hoher Medienpräsenz, aber sicher auch von der thematischen Verortung dieser Partei. Es gibt Schnittmengen mit dem Programm der AfD: Man ist sozialpopulistisch, migrationsskeptisch, gegen die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Alles Positionen, die populär sind bei vielen ostdeutschen Wählern. Man könnte auch sagen: Wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Geschlossenheit – im Gegensatz zu Offenheit – bilden eine Gemeinsamkeit zwischen AfD und BSW. Wobei das Programm der AfD auf dem Papier deutlich wirtschaftsliberaler ist als das von ostdeutschen Vertretern kommunizierte.

KNA: Laut einer Studie der Hans Böckler Stiftung kann sich das BSW vor allem bei früheren Wählern von SPD und Linken bedienen.

Hoffmann: Das BSW wird schon als eine linke Partei wahrgenommen – als eine Abspaltung oder Nachfolgerin der Linken. Aufgrund der erwähnten Ausrichtung spricht sich jedoch auch AfD-Wähler an. Im Vergleich zur AfD wird das BSW zwar kritisch in den Medien behandelt, aber vielleicht nicht ganz so ablehnend. Das spiegelt sich zum Teil in den Kommentaren der Vertreter der etablierten Mitteparteien. Man spielt mit dem Gedanken, sich vom BSW tolerieren zu lassen oder mit ihm in irgendeiner Form zu kooperieren. Während jede Kooperation mit der AfD abgelehnt wird.

KNA: Manche deuten das BSW als eine Art “neue Linke”, dabei gibt es im Programm noch viele inhaltliche Leerstellen.

Hoffmann: Hier spielt die Namensgeberin eine wichtige Rolle. Sahra Wagenknecht ist eine seit vielen Jahren bekannte Größe, zum Teil hat sie auch Politikerinnen und Politikern aus der Linken mitgenommen, die ebenfalls bekannt und teilweise auch prominent sind. Insofern glaubt man wohl, das BSW aufgrund seines Personals programmatisch gut einschätzen zu können. Sicherlich sind die Parteien der Mitte nicht begeistert angesichts der Vorstellung, mit dem BSW zu kooperieren. Aber die sogenannte Brandmauer besagt ja, dass eine Kooperation mit der AfD auszuschließen ist. Wenn wir Wahlergebnisse bekommen werden, bei denen die AfD um die 30 Prozent erzielt, wird es schwierig, Mehrheiten zu organisieren.

KNA: Wird über AfD und BSW in den West- und Ostmedien unterschiedlich berichtet?

Hoffmann: Zum Teil schon. In Ostdeutschland wird wohl etwas weniger ablehnend über die AfD berichtet, weil sie hier inzwischen so stark verankert ist mit sehr hohen Zustimmungswerten. In gewissen Wahlkreisen, wo die AfD 30 Prozent und mehr erzielt, kann eine Lokalzeitung nicht die Strategie verfolgen, mit dieser Partei nicht zu reden. Das würde das Publikum nicht akzeptieren.

KNA: Welche Rolle spielt politisches Charisma bei diesen Landtagswahlen?

Hoffmann: Die Rolle des Landesfürsten gibt es immer noch, wenn wir etwa an Sachsen-Anhalt denken. In Thüringen gibt es einen Ministerpräsidenten, der teilweise in diese Rolle hineingewachsen ist. Sachsen ist in dieser Hinsicht eher die Ausnahme, weil wir einen relativ jungen Ministerpräsidenten haben. Die Spitzenkandidaten und deren Persönlichkeit und Charisma spielen insbesondere bei populistischen Parteien eine sehr große Rolle. Das sieht man auch im Ausland, etwa bei Le Pen in Frankreich. Sie dienen zur Identifikation, geben der Partei ein Gesicht. Was sich dahinter für ein Personal versammelt, wird für Wähler zweitrangig. Das BSW entspricht diesem Muster.