Berlin – Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat ein positives Bild der sozialen Lage in Deutschland gezeichnet. „In Deutschland nimmt die Kluft zwischen Arm und Reich nicht weiter zu“, sagte Nahles in Berlin anlässlich eines Symposiums zum 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Kritisch bewertete die Ministerin jedoch, dass vor allem den unteren Lohngruppen der „Anschluss an die Mitte der Löhne“ nicht gelinge. „Die Lohnspreizung nimmt zu“, sagte Nahles. Sozialverbände kritisierten den Armuts- und Reichtumsbericht.
Nahles kündigte an, künftig genauer untersuchen zu wollen, woher das Vermögen vieler wohlhabender Deutscher stamme. Während viel über Armut bekannt sei, sei Reichtum bislang eine „Blackbox“, sagte Nahles. In Zukunft solle genauer ausgeleuchtet werden, wie sich Reichtum auf den gesellschaftlichen Einfluss auswirke. Auch woher das Vermögen hauptsächlich stamme, solle untersucht werden. Auch müsse geprüft werden, wie Vermögende bei hohen Erbschaften einen Teil ihres Reichtums wieder an die Gesellschaft zurückgeben könnten, sagte die Ministerin. Nahles verteidigte den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gegen Kritik.
Die Diakonie sprach von einer falschen Gewichtung der Ergebnisse und warf der Bundesregierung Schönfärberei vor. „Die wichtigsten Erkenntnisse tauchen nur sehr verdeckt auf“, erklärte der evangelische Sozialverband. Die wichtigen Befunde zu Kinderarmut, Wohnungsnot und Benachteiligung aufgrund des Geschlechts würden nicht systematisch aufgearbeitet, sagte Diakonievorstand Maria Loheide. So drohe Frauen, insbesondere nach Trennungen und als Alleinerziehende, nicht nur aktuell, sondern auch im Alter weiterhin Armut. Und auch wenn Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug abnähmen, sei die relative Armut größer geworden, führte Loheide weiter aus. Die reichsten Haushalte hätten einen immer größeren Anteil am Gesamteinkommen.
Die Diakonie forderte einen unabhängigen Sachverständigenrat aus Betroffenen, Sozialpartnern, Wissenschaft und Verbänden, der die Armutsentwicklung in Deutschland begutachten und der Bundesregierung wesentliche wirtschaftliche Empfehlungen geben solle. Dadurch werde der Armuts- und Reichtumsbericht „mit der Expertise versehen, die für das Thema angemessen ist“, betonte der Verband.
Kritik kam auch von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Diese bezeichnete den Bericht als „verpasste Chance“. Neben einer ehrlichen Bestandsaufnahme müsse die Analyse konkrete gesetzgeberische Maßnahmen gegen Armut und für mehr Verteilungsgerechtigkeit vorschlagen. Wichtige Schlussfolgerungen etwa zur langfristigen Verkleinerung der Schere zwischen Arm und Reich fehlten jedoch.
Der 650 Seiten umfassende Bericht aus dem Ministerium von Bundesarbeitsministerin Nahles befindet sich in der finalen Bearbeitungsphase und soll im Frühjahr vom Kabinett beschlossen werden. epd/KNA
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Kluft-Bild-Perspektiven
Der 5. Armuts- und Reichtumsbericht stößt bei Wohlfahrtsverbänden auf Kritik. Die Diakonie spricht von Schönfärberei, während Ministerin Nahles ein positives Bild zeichnet

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