Zwölf Monate lang war die Diözese Rottenburg-Stuttgart – immerhin die drittgrößte in Deutschland – ohne Bischof. Am Sonntag trat der 60-jährige Theologe Klaus Krämer das Bischofsamt an. Eine Hoffnung auf “Wandel” war spürbar.
Es ist der entscheidende Moment der zweistündigen Zeremonie: Als sich Klaus Krämer am Sonntag erstmals auf den Bischofsstuhl setzt – andächtig, ernst und wortlos – brandet Applaus im vollbesetzten Rottenburger Dom auf. Mit der sprichwörtlichen “Inbesitznahme” der sogenannten Kathedra ist Krämer als neuer Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Amt. Zuvor war der 60-jährige Theologe in einer Zeremonie zum Bischof geweiht worden.
Um an diesem Ersten Advent bei der Weihe und Amtseinführung Krämers dabei zu sein, sind rund 600 Menschen in den Dom gekommen und – bei strahlendem Sonnenschein – einige hundert auf den Rottenburger Marktplatz, auf den das Geschehen per Großleinwand übertragen wurde.
Krämer ist der zwölfte Bischof der relativ jungen Diözese, die erst 1828 gegründet wurde. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart gehört zur Oberrheinischen Kirchenprovinz. Deshalb spendet der Freiburger Erzbischof Stephan Burger als Metropolit der Kirchenprovinz Krämer das Sakrament der Weihe. Mitkonsekratoren sind der 91-jährige Kardinal Walter Kasper aus Rom, der von 1989 bis 1999 Bischof in Rottenburg war, sowie Krämers emeritierter Amtsvorgänger Gebhard Fürst, der im Dezember 2023 im Alter von 75 Jahren zurückgetreten war.
Die Bischofsweihe folgt einem alten Ritus, der – selbst wenn man ihn im Dom miterlebt – etwas Unzugängliches, fast Befremdliches, aber auch Geheimnisvolles hat: Zunächst legt sich Krämer bäuchlings ausgestreckt vor den Altar, während rund acht Minuten lang in einer Litanei mehrere Dutzend Heilige angerufen werden.
Dann kniet Krämer vor dem Altar, während ihm zunächst Burger, Kasper und Fürst und anschließend rund 20 um den Altar versammelte in- und ausländische Bischofe die Hände auflegen. Weit und breit sind nur Männer um den Altar versammelt – allein eine Ministrantin darf Burger ein Buch hinhalten. Beim Weihegebet wird Krämer das Evangelienbuch dann wie ein Dach über den Kopf gehalten. Sein Haupt wird gesalbt. Dann überreicht ihm Burger Bischofsring und Bischofsstab und setzt ihm erstmals die Mitra auf.
Der Wahlspruch des neuen Bischofs stammt aus dem Johannesevangelium und lautet: “Du hast Worte ewigen Lebens” (Joh 6,68). Diesen Wahlspruch Krämers nimmt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in seinem Grußwort bei einem offenen Begegnungsfest vor dem Bischofshaus auf. “Sie, Herr Bischof, haben eine große und wichtige Aufgabe vor sich.” Es gehe darum, den Glauben in einer säkularen Gesellschaft ins Gespräch zu bringen. “Denn es geht schließlich um ‘Worte des ewigen Lebens'”, betont der katholische Christ Kretschmann laut Redemanuskript.
“Bekenntnis, Nächstenliebe und Liturgie” – das mache eine christliche Praxis aus, so Kretschmann und fügt hinzu: “Eine solche christliche Praxis braucht unsere Gesellschaft, deren Zusammenhalt durch Lüge, Polarisierung und Extremismus bedroht wird, eine Gesellschaft, die durch Sorgen um Klima, Wohlstand und Geopolitik aufgerieben wird, eine Gesellschaft, der echte Lebensfreude, Zuversicht und Sinn abhanden zu kommen droht.”
Es sei heute gerade für die Verkündigung in einem säkularen Umfeld wichtig, “dass die Menschen spüren: Da geht es um was! Dieser Glaube hat was mit meinem Alltag, mit meinem Leben zu tun.” Damit dies gelinge, brauche es “eine Kirche, die auf der Höhe der Zeit ist”. Sie müsse “klar in den unverbrüchlichen Botschaften des Evangeliums sein und zugleich diese Botschaft aktuell, konkret, realitätsnah in die Welt tragen” und auch bereit sein, sich zu wandeln.
Dass das dringend notwendig ist, spürt man bei Spontan-Umfragen in Rottenburg. Ben (40), Mitarbeiter eines Bäckerladens in Nähe des Rottenburger Bahnhofs, sagt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntagmittag, er wisse nicht, dass jetzt gleich ein neuer Bischof geweiht werde. “Ist der alte in Rente gegangen?”, fragt er. “Besser in Rente, als wenn er abgesetzt worden wäre wie der frühere Limburger Bischof”, bemerkte er mit Blick auf Franz-Peter Tebartz-van Elst.
Und Leon Schepperle (20), seit Jahren in einer Pfarrgemeinde aktiv und sogar Regisseur des Sankt-Martins-Spiels in Rottenburg, steht vor dem Dom, in dem er keinen Platz mehr bekommen hat und sagt der KNA: “Ich bin nicht mehr so gläubig, leider!” Der Grund: “Was die katholische Kirche mit Schwulen und Lesben gemacht hat und noch macht, das finde ich überhaupt nicht gut!” Der Segen für homosexuelle Paare sei ja nur ein “Segen light”.