Die Nachfrage nach Beratung zur Kriegsdienstverweigerung (KDV) bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern steigt. Ein Auslöser dafür ist der Ukraine-Krieg, weiß Claudia Kuchenbauer, seit 2005 Leiterin der in Nürnberg angesiedelten Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung. „Seit Kriegsbeginn denken auch viele Reservisten und Reservistinnen sowie junge Menschen, die ja seit 2011 nicht mehr gemustert werden, darüber nach, dass es zum Verteidigungsfall kommen könnte“, sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Vor dem Krieg habe die Beratungsstelle jedes Jahr eine bis fünf KDV-Beratungen durchgeführt, 2023 seien es zwölf Beratungen gewesen, in diesem Jahr bereits sechs. „Aktuell habe ich wöchentlich einen Anruf“, sagte Kuchenbauer. Bei der Verweigerung müsse man die Gewissensnot, die man potenziell hätte, darstellen. „Nun ist das Konzept des Gewissens durchaus anspruchsvoll.“ Wer sich auf dieses Grundrecht beziehe, müsse plausibel machen, dass es das Gewissen ist, das einem den Gebrauch einer Waffe gegen Menschen unmöglich macht.
Über den Antrag entscheide zuerst das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Verantwortung. Im Fall einer Ablehnung könne man Widerspruch einlegen und die Begründung ergänzen. Sollte das wieder abgelehnt werden, müsse man vor dem Verwaltungsgericht klagen. „Über die Gewissensnot wird also in einem Verwaltungsakt entschieden“, so Kuchenbauer. Für noch nicht erfasste Menschen sei vor allem interessant, zu erfahren, dass sie zuerst zu einer Musterung müssen, um überhaupt erfasst zu werden.
„Es sind viele vermeintliche Gewissheiten in den letzten Jahren zerbrochen“, sagte die Pfarrerin mit Blick auf den Frieden in Europa. Zuversicht gebe ihr jedoch das Vertrauen darauf, „dass die Verantwortlichen in Politik, in der NATO und auch alle zivilgesellschaftlichen Akteure kein Interesse an einer Eskalation haben“. Diplomatische Bemühungen seien oft in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar, sondern würden im Hintergrund ablaufen. (00/1470/12.05.2024)