Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland stehen vor ähnlichen Problemen. Mitglieder- und Relevanzverlust lässt sie nun zusammenrücken. Doch wird auch vor Enttäuschungen gewarnt.
Um das Thema “Einheit der Christen” ist es ruhig geworden. Nun versuchen die beiden großen Kirchen einen Neuanfang. Das gemeinsame Wort “Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit” möchte mit einem prozessorientierten Ansatz neues Interesse an der Ökumene zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland wecken. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wollen künftig verstärkt mit einer Stimme sprechen und ihr Handeln stärker verzahnen.
Der Bochumer Theologe Thomas Söding fordert daher eine ökumenische Theologie mit “Anschluss an das, was sich vor Ort bewegt und was dort zu oft vermisst wird”. Es brauche eine Verständigung über realistische Ziele und gemeinsame Wege, “gerade wenn der Horizont offen ist”, sagte der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) am Donnerstag bei der Vorstellung des Papiers.
Als Vorbild gelten den Urhebern des “Gemeinsamen Wortes” die Erfahrungen des Kontaktgesprächskreises von Bischofskonferenz und EKD, der das Ziel hat, die interkonfessionelle Verständigung zwischen den beiden großen Kirchen institutionell zu verankern. So sei die theologische Expertise in Ethik-Kommissionen, beispielsweise in der Politik oder in der Medizin, immer weniger auf konfessionelle Spezifizierung angewiesen, heißt es in dem Dokument.
Doch zuletzt gab es insbesondere in ethischen Fragen deutliche Differenzen zwischen den beiden großen Kirchen. So hatte sich der Rat der EKD für eine weitgehende Regelung der Abtreibung außerhalb des Strafrechts ausgesprochen. Dies wurde als eine weitere Absetzbewegung der EKD von vormals gemeinsamen Positionen mit der katholische Kirche wahrgenommen.
Das Dokument würdigt Bereiche, in denen die Kooperation gelingt, so in der Militärseelsorge oder bei Kooperationen im Bereich des konfessionellen Religionsunterrichts. Hier heben die Autoren nun hervor, dass ein Ansatz “konfessioneller Abgrenzung als Rückschritt sowohl gegenüber den religiösen Erfahrungen und Erwartungen der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern als auch gegenüber den guten ökumenischen Erfahrungen und Errungenschaften der Kirchen empfunden” würde.
Grundsätzlich empfiehlt das Papier einen Einstellungswandel. Mit dem Schlagwort einer “engagierten Nüchternheit” wenden sich die Autoren gegen das Dramatisieren enttäuschter Erwartungen und das euphorische Feiern von “neuen Schritten”. Die Erfahrung lehre, dass sich an anderen Stellen “neue Möglichkeiten öffnen, wenn an einer bestimmten Stelle der Dialog stagniert oder gar misslingt”.
Eine Ökumene, “die stärker vom Prozess des Zusammenkommens und Zusammenwachsens statt nur vom Ziel der erhofften Einheit her praktiziert und reflektiert wird”, bewähre sich in der Ernsthaftigkeit geduldiger Gesprächsbereitschaft. Im Prozess könnten so auch neue, ungeplante, unvermutete Meilensteine erkannt werden. Die Eucharistie- oder Abendmahlsgemeinschaft, die vormals als das große, zu erreichende Ziel proklamiert wurde, tritt vernehmlich in den Hintergrund.
In den Vordergrund tritt nun die positive Wahrnehmung der Unterschiede (“versöhnte Verschiedenheit” und “differenzierter Konsens”). Das “Gemeinsame Wort” möchte Verschiedenheit im ökumenischen Prozess nicht zugunsten von Einförmigkeit überwinden. “Nicht alle gewachsenen Unterschiede stehen für Abgrenzung oder wechselseitige Verwerfung.” Vielmehr gehe es um eine Wahrnehmung, dass die Ökumene bereits Bestandteil des Selbstverständnisses der beiden Kirchen sei. “Aufgrund des bereits gegangenen Weges sagen wir als Deutsche Bischofskonferenz und Rat der EKD: Wir wollen nicht mehr ohne den Dialog mit Euch Kirche sein.”
Bei der Vorstellung des Papiers erinnerte der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige auch an die Ergebnisse der jüngsten Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung. Sie habe gezeigt, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland in hohem Maße Mitglieder verlieren und damit vor ähnlichen Herausforderungen stünden. “Die Probleme und Herausforderungen dürfen aber nicht zur Selbstbeschränkung zulasten der Ökumene führen”, so der Magdeburger Bischof weiter. Im Gegenteil seien sie ein Weckruf zu mehr Gemeinsamkeit. “Bleiben wir also, in Christus verbunden, ökumenisch im Gespräch miteinander, bleiben wir offen dafür, voneinander zu lernen, und wagen wir Schritte zu mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit.”