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Kirchen in Baden-Württemberg: Glaube trägt trotz Bodenlosigkeit

Christen sollten Hoffnung in eine zerrissene Gesellschaft tragen, die “friedenstüchtig” werden solle, mahnen Kirchen in Baden-Württemberg zu Ostern. Und sie betonen die “Heiligkeit des menschlichen Lebens”.

Die Kirchen in Baden-Württemberg haben an Ostern zu christlichem Glauben trotz ungewöhnlich bedrückender Umstände ermutigt. Die Osterbotschaft sei gerade in einer von Krieg und gesellschaftlichen Spannungen geprägten Zeit tragend, sagte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger in seiner Predigt am Sonntag. “Trotz so mancher Tiefschläge, die Botschaft Jesu bleibt nicht wirkungslos”, betonte Burger. “Gerade, weil sich diese Welt so entwickelt, wie sie es derzeit tut, ist diese Osterbotschaft umso wichtiger und existenzieller.” Denn die Gesellschaft trifte immer weiter auseinander – in Extreme. Ein rauer werdender Ton in der öffentlichen Debatte sei zu beobachten.

Zudem distanzierte sich Burger von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Der SPD-Politiker hatte einen Mentalitätswechsel in der deutschen Gesellschaft hin zu einer wehrhafteren Nation gefordert und betont: “Wir müssen kriegstüchtig werden.” Erzbischof Burger sagte dazu: “Christus will, dass wir mit ihm nicht kriegstüchtig, sondern friedenstüchtig, friedenstauglich werden und wir durch unser Leben und Handeln diesem Frieden dienen.”

Der Diözesanadministrator des Bistums Rottenburg-Stuttgart, Clemens Stroppel, sagte, derzeit machten sich Verunsicherung, Sorgen und Angst breit. “Menschen sind aufgerieben, drohen zu verzweifeln, resignieren oder werden zynisch, ziehen sich ins Private zurück, werden gleichgültig oder lassen sich für die einfachen Parolen der Extremisten gewinnen.” Der christliche Glaube trage jedoch auch “in all den Erschütterungen und Bodenlosigkeiten, wenn alles zu wanken scheint”, sagte Stroppel in seiner am Sonntag auf Youtube veröffentlichten Osterbotschaft.

Der württembergische evangelische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wies in seiner Osterpredigt auf die “Heiligkeit des menschlichen Lebens” hin und warnte: “Eine Gesellschaft, die meint, sich selbst das Leben zu verdanken, die meint entscheiden zu können, was lebenswertes Leben ist und was nicht, die vergisst, dass Leben unverfügbares Geschenk Gott ist und bleibt, eine solche Gesellschaft verliert am Ende die Ehrfurcht vor dem Leben.”

Die badische evangelische Landesbischöfin Heike Springhart sagte in ihrer Botschaft zu Karfreitag und Ostern: “In diesem Jahr ist die Sehnsucht nach einer Überwindung der todbringenden Mächte besonders stark.” Sie rief dazu auf, “Augen und Ohren zu öffnen” angesichts der Gewalt in der Welt und dem Leid vieler Menschen.

Der in der Bibel überlieferte Schrei Jesu am Kreuz “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” sei heute “der Schrei all derer, die Beschämung und Verwundung ausgesetzt sind”, so die evangelische Bischöfin. Es sei auch der stumme Schrei derer, die ein Leben lang an den Wunden litten, die ihnen durch sexualisierte Gewalt zugefügt worden seien. “So viele sind heiser geschrien und sehen sich immer noch ausgeliefert denen, die sie ausschließen aus der Gemeinschaft der Kirche und anderswo, sobald sie davon erzählen, was ihnen angetan wurde.”