Dreizehn Jahre nach Beginn des Syrien-Kriegs sind viele nach Deutschland geflüchtete Syrer im Land gut integriert. Die Debatte über eine schnelle Rückkehr in die Heimat halten Kirchenvertreter für falsch.
Wenige Tage nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien hält die Debatte über syrische Mitbürger in Deutschland an. Aus Sicht der katholischen Kirche ist die Diskussion “völlig unangemessen”. Ähnliche Kritik kam von den Hilfswerken Brot für die Welt und Diakonie. Der neue syrische Regierungschef Mohammed al-Baschir, Vertreter der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), hatte seine Landsleute in aller Welt aufgerufen, in die Heimat zurückzukehren, um beim Wiederaufbau zu helfen. Die AfD und Teile der Union hatten sich für eine zügige Rückkehr von in Deutschland lebenden Syrern stark gemacht.
In Deutschland leben nach Angaben des Bundesinnenministerium rund 974.100 Syrer, ein Großteil kam als Flüchtling. Viele sind laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erst nach 2015 angekommen und befinden sich noch im Integrationsprozess. Mit Stand September waren 287.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland beschäftigt, davon 82 Prozent sozialversicherungspflichtig. Hiervon beinahe zwei Drittel in sogenannten systemrelevanten Berufen wie in Krankenhäusern und im Pflegebereich.
Für den katholischen Flüchtlingsbischof Stefan Heße bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich und die weitere Entwicklung offen. “Wer aktuell die Erwartung nach schnellen Rückführungen schürt, blendet die Realität aus. So sehr wir alle uns ein Syrien wünschen, in dem Frieden herrscht und die Menschenrechte gewahrt werden: Aktuell ist überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage in Syrien entwickelt.”
Er appellierte gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Bischöfe, Paderborns Erzbischof Udo Markus Bentz, an die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft, die syrische Bevölkerung im Übergangsprozess zu unterstützen und humanitäre Hilfe zu leisten.
Auch für die Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, geht es jetzt vor allem um Hilfen für die Menschen vor Ort. “Priorität müssen jetzt Bemühungen haben, die Lage in Syrien zu stabilisieren und die Fundamente für eine friedliche und demokratische Zukunft des Landes zu legen”, sagte Pruin. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, beklagte, dass die aktuelle Rückführungsdebatte ein Schlag ins Gesicht der Menschen syrischer Herkunft sei, die in Deutschland Schutz gefunden haben und Teil der Gesellschaft geworden seien. Es verunsichere die Menschen.
Indes berichtete das katholische Hilfswerk “Kirche in Not” über erste Kontakte zwischen den neuen Machthabern und Vertretern der christlichen Minderheit. Das Hilfswerk berief sich dabei auf Angaben des armenisch-katholischen Bischofs von Damaskus, Georges Assadourian.
Assadourian hat demnach am Montag mit zwei weiteren Geistlichen das Hauptquartier der islamistischen Rebellengruppen besucht. Bei dem Treffen sei vor allem die Rolle der Christen im neuen syrischen Staat Thema gewesen. “Wir diskutierten über die Präsenz der Christen und auch über deren Rolle. Man versicherte uns, dass alles gut werden würde und wir uns keine Sorgen machen müssten”, so Assadourian.
Unterdessen kündigte der neue Sonderkoordinator für Syrien, Tobias Lindner (Grüne) an, dass die Regierung ihre Kontakte in dem Land ausbauen werden. Es müsse jetzt darum gehen, dass die Syrerinnen und Syrer wirklich eine Zukunft in Sicherheit haben könnten, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt im ZDF-Morgenmagazin. HTS müsse an den Taten gemessen werden, so Lindner.