Die Kindergrundsicherung sollte das große Sozialprojekt der Ampel sein. Nun ist klar: Zumindest mittelfristig wird es nur leichte Verbesserungen für ärmere Familien geben, eine große Reform bleibt – jedenfalls vorerst – aus.
Kommt sie nun oder kommt sie nicht? Ursprünglich war geplant, dass es ab 2025 eine Kindergrundsicherung geben soll, die die Hilfen für ärmere Familien bündelt und vereinfacht. Was davon nun tatsächlich kommt, scheint nach den monatelangen Ampel-internen Streitigkeiten unklarer denn je. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die Idee, statt einer Vielzahl von Leistungen für einkommensschwache Familien eine stabile Grundsicherung für Kinder einzuführen, tauchte vor rund 20 Jahren in Wissenschaftskreisen erstmals auf und wurde von einigen Familienverbänden aufgegriffen. Ziel soll die Bekämpfung von Kinderarmut und die Verbesserung der Chancengleichheit sein.
Grüne und SPD nahmen die Idee auf. In ihrem Koalitionsvertrag verständigten sich SPD, Grüne und FDP schließlich auf die Einführung einer Kindergrundsicherung. Dort heißt es: “Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben. Diese Chancengleichheit ist aber noch lange nicht Realität. Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen, werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.”
Aktuelle Untersuchungen besagen, dass etwa 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung leben, davon 1,6 Millionen trotz Erwerbstätigkeit der Eltern. Das betrifft rund jedes fünfte Kind.
Ursprünglich war vorgesehen, dass sie aus zwei Komponenten besteht – einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag und einem nach Alter der Kinder und Einkommen der Eltern gestaffelten Zusatzbetrag. Der Garantiebetrag sollte das bisherige Kindergeld von derzeit monatlich 250 Euro pro Kind ersetzen. Der Zusatzbetrag sollte alle weiteren sozialpolitischen Leistungen für einkommensschwache Familien bündeln – etwa den Kinderzuschlag und Leistungen aus dem Bürgergeldbezug sowie aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Ziel sollte sein, dass berechtigte Familien auf ihren Leistungsanspruch hingewiesen werden und die Hilfen einfach über ein Online-Portal beantragen können.
Streit gab und gibt es vor allem über die Kosten des Vorhabens. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte zunächst für die Einführung 12 Milliarden Euro veranschlagt. Dabei sollte es eine Behörde für die Kindergrundsicherung geben, wofür 5.000 Stellen notwendig sein sollten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte schnell klar, dass es Mittel in dieser Höhe nicht geben werde. Zwar wurde der Gesetzentwurf noch vom Kabinett beschlossen, nun steckt er aber seit Wochen im parlamentarischen Verfahren fest. Im aktuellen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr, den das Kabinett am Mittwoch auf den Weg bringen will, taucht das Wort Kindergrundsicherung nicht mehr auf.
Nicht ganz. Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr ist ein “Entlastungspaket für Familien” vorgesehen. Das wird allerdings nach dem Prinzip Gießkanne verteilt: Zum einen soll der für die Steuerersparnis wichtige Kinderfreibetrag erhöht werden. Dann soll das Kindergeld um fünf Euro pro Monat – auf 255 Euro – steigen.
Nur für bedürftige Familien sind zwei andere Leistungserhöhungen vorgesehen: Ebenfalls um fünf Euro angehoben werden soll der Kindersofortzuschlag – von 20 auf 25 Euro. Dieser wurde während der Corona-Pandemie für einkommensschwache Familien eingeführt. Auch für den allgemeinen Kinderzuschlag wird mehr Geld bereitgestellt, da ihn inzwischen mehr Familien beantragen. Dieser Zuschlag ist nach Einkommen gestaffelt und soll verhindern, dass Familien mit einem geringen Einkommen in den Bürgergeldbezug abrutschen.
Im Parlament wird weiter verhandelt. Möglich ist, dass es noch eine Schmalspurversion des ursprünglichen Vorhabens geben wird. Zum einen wird über die Einführung eines digitalen Kinderchancenportals diskutiert. Auf diesem Portal sollen Familien Leistungen aus dem bisherigen Bildungs- und Teilhabepakt – etwa für Musikunterricht oder den Sportverein – beantragen können.
Außerdem ist ein Kindergrundsicherungscheck im Gespräch, bei dem Familien einfacher prüfen können, ob sie Anspruch auf bestimmte Leistungen haben. Vor allem die Grünen drängen auf die Einführung dieser Portale.
Das ist nicht zuletzt eine Definitionssache. Derzeitiger Stand ist zusammengefasst, dass es leichte Verbesserungen für bedürftige Familien gibt. Die ganz große und angekündigte Reform – alle Leistungen aus einer Hand, auf die “der Staat” bedürftige Familien hinweist – wird es nicht geben.