Scholar Akinyi ist noch keine 30 Jahre alt, hat aber ihren Lebenstraum bereits umgesetzt: Sie ist Schriftstellerin. „Schon als Kind wusste ich, dass ich schreiben möchte“, sagte die Kenianerin am Rande des Macondo-Literaturfestivals, das die „Macondo Book Society“ seit 2019 jährlich im Herbst in der kenianischen Hauptstadt organisiert. Das Festival hat sich schnell zu einem der renommiertesten Literaturereignisse auf dem Kontinent entwickelt.
Gegründet hat es die kenianische Autorin Yvonne Owuor zusammen mit der deutschen Journalistin Anja Bengelstorff, die seit vielen Jahren in Nairobi lebt. Sie wollten einen Raum schaffen, in dem sich afrikanische Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit dem eigenen Publikum austauschen können – für das sie in erster Linie schreiben -, statt bloß bei Veranstaltungen in wohlhabenden Ländern zu Gast zu sein und sich fast nur an westliche Literaturfreunde wenden zu können. In den vergangenen Jahren sind in Afrika mehrere Literaturfestivals entstanden.
Nicht auf staatliche Förderung zu warten, sondern die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ist der entscheidende Entwicklungsmotor in Kenia, und damit auch der kenianischen Literaturszene. Und die ist sehr jung, das gilt für die Schreibenden wie die Lesenden.
Scholar Akinyi hat in Kenia bei dem britischen Verlag Oxford University Press einen „Brotberuf“ als Lektorin. Sie verfasst vor allem Bücher aus der Perspektive von Kindern, ohne damit Kinderbücher zu schreiben. Das hat viel mit ihrem eigenen Lebensweg zu tun: In Kenia brach nach einer umstrittenen Wahl 2007/ 2008 ein ethnisch gefärbter Bürgerkrieg aus. Mehr als 1.100 Menschen wurden getötet, nach Schätzungen mussten über 600.000 Menschen vor der Gewalt aus ihrer Heimat fliehen. Auch Scholar Akinyi und ihre Eltern brachten sich in einem anderen Teil Kenias in Sicherheit.
Ihre Kindheit sei damals aus den Fugen geraten, sagt Akinyi im Rückblick. In ihrem Buch „Hop, Skip and Jump“ schildern drei jugendliche Protagonisten, wie sie die Gewalt erleben. „Politik gilt als eine Sache für Erwachsene“, sagt Akinyi, „als etwas, was Kinder nicht verstehen. Aber viele politische Ereignisse prägen ihr Leben für immer.“
Als Lektorin hat Akinyi einen der wenigen festen Jobs in Kenia – und das auch noch im Literaturbetrieb. Zudem werden ihre Werke von Verlagen veröffentlicht. Mit beidem ist sie eine Ausnahme. Viele kenianische Literaturschaffende veröffentlichen im Selbstverlag, etliche sind zusätzlich Herausgeber geworden, um auch anderen den Weg auf den Markt zu ebnen.
Alexis Grace Teyie ist auf so vielen Gebieten aktiv, dass sie etwas länger braucht, um alles aufzuzählen: Sie ist Wissenschaftlerin, Herausgeberin und Co-Herausgeberin mehrerer Literaturmagazine sowie einer Buchreihe. Sie hat mit Freunden eine Bibliothek gegründet und schreibt selbst Gedichte und Essays. Ihren Lebensunterhalt verdient sie aber vor allem durch Forschung und Recherchen für andere. Die Herausgabe von Literaturmagazinen bringe bislang zwar „Einnahmen, aber keinen Gewinn“. Noch weniger die Publikation von Büchern. Trotzdem scheint Teyie keinen ernsthaften Gedanken daran zu verschwenden, damit aufzuhören. Dafür ist sie viel zu begeistert davon, Teil einer vibrierenden Literaturszene zu sein.
„Es hat hier in den vergangenen Jahren eine grundsätzliche Veränderung gegeben“, meint Teyie. „Wir haben viel mehr Autoren und viel mehr Lesende.“ Es sei an der Zeit, dass die Künstlerinnen und Künstler des afrikanischen Kontinents mit ihrem Schaffen auch zu Hause ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. „Es kann nicht die Lösung sein, dass wir immer mehr Künstler nach Berlin oder London schicken, damit sie von dort aus arbeiten, weil sie zu Hause nicht überleben könnten.“
Dass die kenianische Literaturszene ausgesprochen jung ist, ihre Akteurinnen und Akteure außerdem Technik-affin, macht es leichter: Texte und andere Informationen werden auch über die Sozialen Medien verbreitet, Start-Ups sind schnell gegründet, Neues wird gerne ausprobiert.
Auch einige neue Verlage gibt es in Kenia, die afrikanische Autoren publizieren. Jahazi Press wurde gegründet von Ahmed Aidarus, dem zugleich der Buchladen „Prestige Bookshop“ in Nairobi gehört. Der ehemalige Bankangestellte Abdullahi Bulle hat als passionierter Leser früher seinen Kollegen in der Bank immer seine ausgelesenen Bücher mitgebracht und sie angesteckt mit seiner Begeisterung für Literatur: „Schließlich fragte mich ein Kollege, warum ich ihnen meine Bücher immer verschenke, statt sie zu verkaufen.“
Bulle griff den Gedanken auf und gründete 2015 mit dem „Nuria Bookshop“ den ersten Online-Buchladen Kenias, später eröffnete er zusätzlich einen physischen Laden – seinen Job als Banker hatte er mittlerweile aufgegeben. Er bespielt auch die in Kenia sehr kleine Nische von Hörbüchern und unterstützt kenianische Autoren, die im Selbstverlag veröffentlichen wollen.