Bad Oldesloe/Kiel/Hamburg. Für Christian Paulsen hat sich im vergangenen Jahr einiges geändert. Paulsen ist Bestatter in Bad Oldesloe. Wenn er derzeit Verstorbene abholt, werden diese häufig in weiße Kunststoffhüllen, sogenannten Bodybags, gepackt. Denn der Umgang mit Corona-Toten verlangt besondere Vorsicht. Das Virus stirbt nicht. Ein Abschied am offenen Sarg in so einem Fall undenkbar.
„Schon im Krankenhaus, wo wir die meisten Covid-19-Verstorbenen abholen, werden die Toten in luftdichte Plastiksäcke gelegt“, erklärt Christian Paulsen. Fest verschlossen dürfen sie nicht mehr geöffnet werden. Bislang. Denn eine neue Verordnung, die im kommenden Juli in Kraft treten soll, bewirkt, dass die Verstorbenen künftig umgebettet werden sollen – und der Sack entfernt werden muss. Die sogenannte Einwegkunststoffverbotsverordnung soll insbesondere das Mikroplastik in der Natur verringern. Obwohl man dabei nicht unbedingt an Leichenhüllen denkt – auch sie fallen darunter. In Pandemiezeiten, in denen es um den größtmöglichen Infektionsschutz der Menschen geht, sorgt das für hitzige Debatten. Denn hier stößt ein Verbot auf gängige Praxis.
Biologisch nicht abbaubar
Grund ist das Material, aus dem der Sack besteht: Er ist biologisch nicht vollständig abbaubar und hinterlässt Mikroplastik. Dadurch kommt es zu einer biologischen, chemischen und physikalischen Veränderung des Bodens und des Grundwassers, wozu es laut Bestattungsgesetz und Bestattungsverordnung jedoch nicht kommen darf. Und in Zeiten einer Pandemie steigt der Einsatz der Bodybags.
„Wir reden hier nicht mehr über Einzelfälle“, sagt Dirk Abts, Friedhofsbeauftragter des Kirchenkreises Hamburg-Ost. In Hamburg sind mehr als 1300 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Hinzu käme, dass das Material der Hüllen den Zersetzungsprozess der Verstorbenen behindern kann.
Auf Feuerbestattungen bezieht sich die Verordnung nicht. „Die Filteranlagen der Krematorien filtern die Giftstoffe heraus“, so Abts. 75 bis 80 Prozent der Bestattungen auf dem Gebiet der Nordkirche fielen inzwischen in diese Kategorie. Je ländlicher die Region, desto häufiger würden die Menschen jedoch in der Erde beigesetzt.
Verbot bestätigt
Um Klarheit für die Praxis zu erlangen, bat Abts sowohl die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft als auch das Sozialministerium in Kiel um eine entsprechende Stellungnahme. Das Ergebnis: Die Behörden bestätigten, dass nichts in den Friedhofsboden gehört, was nicht vollständig biologisch abbaubar ist. „Das ist schon seit den 80er-Jahren Teil der Bestattungsverordnung“, so Abts. Die Behörden präzisierten, dass es den Bestattern zuzumuten sei, die Covid-19-Verstorbenen aus den Hüllen herauszunehmen. „Die Hüllen müssen entfernt werden. Das ist keine Ermessensentscheidung.“
Obwohl das Einwegkunststoffverbot erst im Juli dieses Jahr in Kraft tritt, haben sich viele städtische und kirchliche Friedhofe in Hamburg bereits jetzt für ein Verbot von Bodybags entschieden. Bei den Bestattern im Norden sorgt der Erlass für heftige Kritik. Sie befürchten, dass es beim Umbetten der Covid-19-Toten vom Bodyback in den Sarg zur Ansteckung kommen könnte. Das Virus sitzt in der Restluft der Verstorbenen. Beim Umbetten und Bewegen der Toten gelangt es dann wieder in die Umgebung.
„Eine Studie hat ergeben, dass das Virus auch nach 17 Tagen noch im toten Körper nachweisbar ist“, erklärt Ralf Paulsen, stellvertretender Vorsitzender der Bestatter-Innung Schleswig-Holstein in Kiel. Daher stelle sich auch die Frage, wie sehr die Bodybags von innen durch die Atemluft der Toten kontaminiert sind. Der Bundesverband der Bestatter hat dazu aktuell eine weitere Studie in Auftrag gegeben.“ Das Ergebnis stehe jedoch noch aus. „Dass wir gerade in Zeiten einer Pandemie diese Diskussion führen, halte ich für etwas fehl am Platz“, sagt er.
Das sagt die Innung
Auch der Bestatter-Innung sei am Umweltschutz gelegen, aber aktuell gelte es, die gesunden Menschen zu schützen und die Ausbreitung des Virus zu verhindern, sagt Paulsen. Das würden auch das Bestattungs- und das Infektionsschutzgesetz derzeit so regeln. „Daran orientieren sich dann die Friedhofssatzungen, an die sich die Bestatter halten“, erklärt er. „Wir sprechen hier von ungefähr 150 Erdbestattungen von Corona-Toten im Jahr 2020 auf mehr als 400 Friedhöfen in Schleswig-Holstein“.