Wie und wo darf ein Patient zu einer medizinischen Behandlung gezwungen werden? Das Bundesverfassungsgericht wird jetzt darüber urteilen, ob eine Zwangsbehandlung künftig auch ambulant möglich wird. Experten sind uneins.
Jährlich werden geschätzte 4.000 Patienten ohne ihr Einverständnis zwangsbehandelt. Vor allem geht es um die Gabe von Medikamenten an psychisch Kranke und Demenzpatienten. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag in einer intensiven Verhandlung über eine mögliche Detailänderung der gesetzlichen Regeln bei Zwangsbehandlung beraten.
Denn der Bundesgerichtshof hält die bisherige Vorschrift für verfassungswidrig, wonach solche Behandlungen immer in einem Krankenhaus durchgeführt werden müssen. Und hat deshalb einen Fall einer an Schizophrenie erkrankten Frau dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.
Die Frau gibt an, durch die erzwungene Krankenhauseinweisung traumatisiert zu werden. Ihr rechtlicher Betreuer fordert, sie stattdessen in ihrer gewohnten Umgebung, einer Wohneinrichtung für psychisch Kranke, zu behandeln.
Experten aus Medizin, Justiz und Betroffenenvertreter waren sich bei der dreistündigen Anhörung in Karlsruhe einig, dass die Zwangsbehandlung nur das allerletzte Mittel sein darf, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind, zu einer einvernehmlichen Therapie zu kommen.
Uneins waren sie sich in der Forderung, diese Form der Ausnahmebehandlung künftig auch ambulant zu ermöglichen. Der Vertreter der Bundesregierung, Volker Lipp, warnte vor einem gefährlichen Dammbruch. Denn nur in der Klinik sei eine für den Patienten sichere Zwangsbehandlung und angemessene Nachsorge möglich. Zudem könnte das Wegfallen der Krankenhauspflicht die Zahl der Zwangsbehandlungen steigen lassen.
Für die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie entgegnete Thomas Pollmächter, es gebe Einzelfälle, in denen es patientenschonender wäre, die Zwangsbehandlung in der gewohnten Einrichtung vorzunehmen.
Eine Tendenz, in welche Richtung die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz von Gerichtspräsident Stephan Harbarth gehen könnte, war bei der Verhandlung nicht zu erkennen. Eine Entscheidung dürfte erst in einigen Monaten fallen.