Befürworter liberalerer Abtreibungsregeln machen Druck. Eine Reform soll noch vor den Wahlen durch den Bundestag. Juristen und Mediziner halten eine Freigabe für verfassungswidrig. Und wie steht die Bevölkerung dazu?
Neun namhafte Juristen und Mediziner sprechen sich gegen eine Änderung des Abtreibungs-Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch aus. Sie schreiben in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (Donnerstag), die Erkenntnisfortschritte der Pränatalmedizin in den vergangenen 30 Jahren ließen sich so zusammenfassen, “dass der Fötus als eigenständiges Wesen immer früher und immer präziser in seiner individuellen genetischen und strukturellen Verfasstheit erkenn- und darstellbar ist”.
Eine Freigabe der Abtreibung in den ersten zwölf Wochen wäre aus Sicht der Autoren verfassungswidrig. Der Schwangerschaftskonflikt sei angesichts des eigenen Lebensrechts des ungeborenen Menschen ein “Konflikt, dessen Auflösung die Grundrechte beider Beteiligter, der Schwangeren und des ungeborenen Kindes, angemessen berücksichtigen muss”. Die jetzige Abtreibungsregelung werde dem in angemessener Weise gerecht.
Im ersten Schwangerschaftsdrittel, in dem zumeist über den Abbruch der Schwangerschaft entschieden werde, werde “der Schwangeren in Respekt vor ihrer Selbstbestimmung” bereits jetzt “die auch in der Beratung nicht begründungspflichtige Letztentscheidung eingeräumt”. Der Gesetzgeber könne diese Entscheidung aber nicht als rechtmäßig bewerten: “Denn die Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Tötung ist im Rechtsstaat nicht ohne Prüfung der dafür maßgeblichen Gründe möglich, auf die gerade verzichtet wird, um eine Fremdbestimmung der Frau zu vermeiden”, so die Autoren.
Die Juristen und Mediziner reagieren damit auf einen Gruppenantrag von Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen und Linken, der eine Abtreibungsregelung außerhalb des Strafgesetzbuchs vorsieht. Der Antrag entscheide den Schwangerschaftskonflikt “einseitig zulasten des Ungeborenen”, heißt es in der Stellungnahme. Die vorgeschlagene Neuregelung sei “verfassungsrechtlich unzulässig und völkerrechtlich entgegen anders lautenden Behauptungen keineswegs geboten”. Kein völkervertraglicher Vertrag, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, gewähre ein “Recht auf Abtreibung”, geschweige denn ein einschränkungsloses.
Autoren des Gastbeitrags sind die Richterin am Bundesgerichtshof Angelika Allgayer, der Göttinger Medizinrechtler Gunnar Duttge, die frühere Bundesverfassungsrichterin Karin Graßhof, der Bonner Rechtswissenschaftler Christian Hillgruber, der Augsburger Strafrechtler Michael Kubiciel, der Barmbeker Gynäkologe Holger Maul, der Erfurter Gynäkologe Gert Naumann, die Münsteraner Geburtsmedizinerin Renate Rosenberg und der Mainzer Professor für Gynäkologie Alexander Scharf.
Unterdessen ergab eine am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage des RTL/ntv-Trendbarometers, dass eine große Mehrheit der Bundesbürger (74 Prozent) es richtig fände, wenn Schwangerschaftsabbrüche künftig innerhalb der ersten zwölf Wochen ohne Einschränkungen erlaubt wären. 20 Prozent der Befragten lehnen eine solche Legalisierung dagegen ab.
Laut der Umfrage vertritt eine deutliche Mehrheit in allen Altersgruppen die Meinung, dass Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich legal sein sollten. Auch 75 Prozent der befragten Anhänger der evangelischen und 62 Prozent der Anhänger der katholischen Kirche sind dafür.
Laut RTL/ntv-Trendbarometer finden 54 Prozent der Befragten, dass das Parlament noch vor den Neuwahlen im Februar darüber entscheiden sollte, 41 Prozent sind dagegen. Falls Schwangerschaftsabbrüche künftig erlaubt würden, findet die Hälfte der Befragten (50 Prozent), dass die Kosten für den Abbruch von den Krankenkassen übernommen werden sollten. 45 Prozent sind nicht dieser Meinung. Bisher bezahlen Krankenkassen einen Schwangerschaftsabbruch nur dann, wenn medizinische oder kriminologische Gründe dafür vorliegen.