“Wir lassen uns nicht unterkriegen” – mit diesen Worten verabschiedet der Präsident des Zentralrats der Juden rund 1.400 Teilnehmende einer Großveranstaltung in Berlin. Und gibt ihnen noch einen Wunsch mit.
Mit einem Aufruf zu Zusammenhalt und Selbstbewusstsein ist der fünfte Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Deutschland zu Ende gegangen. “Wir wollen als jüdische Gemeinschaft, als Jüdinnen und Juden, von diesem Gemeindetag ein lautes Zeichen senden: Wir lassen uns nicht unterkriegen”, betonte Zentralratspräsident Josef Schuster zum Abschluss am Sonntag in Berlin. “Wir begegnen dem Hass, den wir auf den Straßen sehen, an den Universitäten, ja in der Mitte der Gesellschaft, mit Mut und Zusammenhalt.”
Unter dem Motto “Zusammen leben” hatten sich nach Veranstalterangaben mehr als 1.400 Mitglieder jüdischer Gemeinden in Berlin getroffen. Der bundesweite Gemeindetag findet regelmäßig statt, musste aber wegen der Corona-Pandemie eine Pause einlegen. “Wir haben ein großes Fest der Jüdischkeit gefeiert”, erklärte Schuster. Er wünsche den Teilnehmenden, dass sie mit diesem Zusammenhalt in ihre Gemeinden zurückkehrten und diesen Geist dort verbreiteten.
Vier Tage lang tauschten sich die Teilnehmenden in Podien, Vorträgen und Workshops aus. Themen waren etwa der Krieg im Gazastreifen nach dem Terror der Hamas, Antisemitismus in Deutschland, die jüdische Gemeinschaft in Europa, religionsgesetzliche Fragen und Künstliche Intelligenz KI. Die Teilnehmenden feierten zudem gemeinsam Schabbat und Gottesdienste und kamen bei einem Gala-Abend zusammen.
Zur Eröffnung am Donnerstagabend waren auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Israels Botschafter Ron Prosor gekommen. Gemeinsam mit anderen prominenten Gästen zündeten sie zum Ende des Chanukka-Festes die Kerzen an einem Leuchter an. Aus der Politik sprachen während des Gemeindetages auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
Sie alle sicherten Jüdinnen und Juden Solidarität und konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus zu. So plädierte Wüst dafür, dass sich Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen wollten, zum Existenzrecht Israels bekennen müssten. Eine entsprechende Initiative brachte NRW jetzt in den Bundesrat ein. Steinmeier sagte, dass Deutschland die Heimat von Jüdinnen und Juden bleibe. Nach Überzeugung von Scholz muss in Deutschland jüdisches Leben eine Selbstverständlichkeit sein. Unter den Teilnehmenden gab es aber auch Kritik daran, dass sich Deutschland bei der UN-Resolution für einen Waffenstillstand im Gazastreifen enthalten hatte.
“Es war den Politikern ein echtes Anliegen, zu kommen”, so Schuster in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Ich glaube, es sollte der jüdischen Gemeinschaft den Rücken stärken und unterstreichen, welche Haltung die deutsche Politik gegenüber Israel und Juden in Deutschland hat.” Mit Blick auf Antisemitismus sagte er, dass Menschen mit einem antisemitischen Gedankengut nicht mehr geworden seien – aber lauter und aggressiver: “Die schweigende Mehrheit ist zu leise.” Er beobachte eine “gewisse Gleichgültigkeit” in der Gesellschaft.