Mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar fordert der Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, Philipp Peyman Engel, Antisemitismus aus allen Richtungen zu benennen. In der medialen Berichterstattung gebe es „eine große Leerstelle“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die deutsche Medienlandschaft nehme Antisemitismus von rechtsextremer Seite „gottlob“ sehr ernst, sagte Engel. Er appellierte jedoch an Journalisten, auch linksorientierten und muslimischen Judenhass klar zu benennen. „Hier hinkt die Berichterstattung hinterher.“ Dies spiegelten ihm auch „jüdische Gemeinden von Konstanz bis Kiel“ wider.
Engel liest am Montag (27. Januar) beim Hanns-Lilje-Forum in der Neustädter Hof- und Stadtkirche in Hannover aus seinem Buch „Deutsche Lebenslügen. Der Antisemitismus, wieder und immer noch“. Der Sohn einer aus dem Iran stammenden Jüdin und eines nichtjüdischen Deutschen ist seit 2023 Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“.
Während er bei CDU und FDP wahrnehme, dass sie Themen rund um Israel und das Judentum ernst nähmen und ins Parteiprogramm einfließen ließen, sei dies bei Vertretern von SPD und Grünen deutlich weniger der Fall, sagte Engel. Mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag kritisierte er die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) und den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. „Sie treten an Gedenktagen mit bewegter Miene auf, sprechen von einem ‘nie wieder Antisemitismus’ und machen dann das komplette Gegenteil.“
So kritisierte der Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“ Steinmeier für seine Gratulation an das iranische Regime zum 40-jährigen Bestehen und für dessen Aussage, der türkische Präsident Recep Erdoğan, der die Hamas eine „Widerstandsorganisation“ nenne, sei ein „werter Freund“. Er fügte an, aus seiner Sicht kritisiere Baerbock Israel zu stark, während sie die Rolle des Iran und der Hamas nicht hinreichend benenne.
Die AfD sei eine geschichtsrevisionistische und „brandgefährliche“ Partei. In ihr fühlten „Antisemiten und andere Antidemokraten sich aus gutem Grund zu Hause“. Das BSW vertrete eine „Anti-Israel-Dogmatik“ und trage damit auch zu einer Judenfeindlichkeit bei.
Nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe er sich über die Empathie und viele solidarische Reaktionen von christlicher Seite gefreut, sagte Engel. Sie gingen direkt ins Herz. Er wünsche sich jedoch, dass davon mehr Folgen im Alltag spürbar wären. Engel prangerte terrorverherrlichende, antisemitische und israelfeindliche Slogans auf „propalästinensischen“ Demonstrationen an. Wer wirklich für die Palästinenser demonstriere, müsse fordern, Gaza von der Hamas zu befreien. Dann müsse der Slogan heißen: „free gaza from hamas“. Er hoffe darauf, dass beide Völker eines Tages in Frieden und Freiheit leben könnten.
Die jüdische wie nicht-jüdische Leserschaft der „Jüdischen Allgemeinen“ nehme die Berichterstattung des Mediums über Israel als fairen Umgang wahr. Die einzige jüdische Wochenzeitung in Deutschland übe selbstverständlich auch Kritik an der israelischen Regierung und dem israelischen Militär, versuche aber Desinformationen entgegenzutreten.