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Jeder Zweite bleibt erreichbar – Experte warnt vor Überlastung

Emails oder WhatsApp behalten viele Berufstätige offenbar im Blick, auch wenn sie Urlaub haben. Ein Experte warnt vor drastischen Folgen für die Gesundheit. Erreichbarkeit brauche daher klare Regeln.

Unter dem Weihnachtsbaum die beruflichen Mails zu checken, ist aus Sicht des TÜV-Verbandes nicht ratsam. “Ständige Erreichbarkeit kann negative Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit haben”, warnte Arbeits- und Gesundheitsschutzexperte Andre Siegl am Freitag in Berlin. Die Folgen von chronischem Stress reichten von Burnout bis hin zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zu Wochenbeginn hatte eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ergeben, dass zwar eine Mehrheit der Berufstätigen (77 Prozent) zwischen den Jahren frei hat – die Hälfte dieser Menschen jedoch für das eigene Team, Vorgesetzte oder die Kundschaft erreichbar bleibt. “Der gefühlte Arbeitsdruck steigt, selbst wenn gar nicht oder nur wenig gearbeitet wird, wie mal eben noch auf eine E-Mail zu reagieren”, mahnte Siegl. “Die Beschäftigten können gedanklich nicht vollständig von der Arbeit abschalten.” Dies hemme den erforderlichen Erholungsprozess.

Digitale Kommunikationsmittel wie Smartphones, Kurznachrichtendienste und Soziale Medien verstärkten das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, fügte der Experte hinzu. Auch häufiges mobiles Arbeiten oder die Tätigkeit im Home Office könnten dazu beitragen, dass Beschäftige Arbeits- und Ruhezeiten nicht klar voneinander trennten. Aus arbeitsmedizinischer und -psychologischer Sicht brauche es klare betriebliche Regelungen zur sogenannten erweiterten Erreichbarkeit.

Die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit sollte auf begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben, erklärte Siegl. Und: “Arbeitgeber sollten sich aktiv mit dem Thema Erreichbarkeit beschäftigen.” Gut gestaltete Regelungen brächten Nachteile wie steigende Belastung und Vorteile wie mehr Flexibilität in ein Gleichgewicht.

Vor der Corona-Pandemie hatten laut Bitkom noch deutlich mehr Menschen angegeben, auch an freien Tagen zwischen den Jahren dienstlich ansprechbar zu sein; 2019 erklärten dies 71 Prozent der Befragten. Während der Pandemie wurden es nach Angaben der Meinungsforscher dann immer weniger.