Sein Instagram-Video ist viral gegangen: Der jüdische Rockmusiker Gil Ofarim behauptete im Oktober 2021 in den sozialen Netzwerken, dass ein Mitarbeiter des Leipziger Luxus-Hotels „The Westin“ ihn antisemitisch beleidigt habe. Vor dem Einchecken soll er von dem Sänger verlangt haben, die Kette mit dem Davidstern abzunehmen.
Laut der Staatsanwaltschaft hat Ofarim jedoch gelogen. Die Ermittler werfen ihm in der Anklage vom März 2022 falsche Verdächtigung und Verleumdung vor. Am Dienstag beginnt in Leipzig der Prozess vor dem Landgericht unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, die nach dem Angriff der Hamas auf Israel noch einmal verschärft wurden.
Auf den Überwachungskameras war die Kette offenbar nicht zu sehen
Ofarim, der in München lebt, hatte den Hotelmitarbeiter angezeigt. Laut der Anklage soll der jüdische Musiker jedoch sowohl im Video als auch in der polizeilichen Vernehmung wahrheitswidrig behauptet haben, dass ein Mitarbeiter ihn aufgefordert habe, „seinen Stern wegzupacken“.
Der Musiker bezog sich dabei auf eine Halskette mit Davidstern, die er nach eigenen Aussagen immer trägt und auch am Abend des 4. Oktober 2021 getragen habe. Auf den Überwachungskameras des Hotels ist eine solche Kette offenbar nicht zu sehen. Als dies bekannt wurde, hagelte es gegen den Sänger verbale Attacken im Netz.
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Die Ermittlungen gegen den Leipziger Hotelmitarbeiter wurden eingestellt. Der ehemals Beschuldigte tritt nun als Nebenkläger im Prozess auf. Die Hauptverhandlung sollte bereits im Oktober 2022 beginnen, wurde jedoch kurzfristig verschoben. Die Verteidigung hatte eine Reihe ungeklärter Fragen aufgebracht.
„Mediale und politische Vorverurteilung“?
So kritisierten Ofarims Anwälte Alexander Stevens (München) und Markus Hennig (Berlin) das Leipziger Landgericht dafür, dass angeblich eine rechtsstaatliche Wahrheitsfindung nicht im Vordergrund stehe. Im Prozess sei eine „Fortsetzung der bereits erfolgten medialen und politischen Vorverurteilung“ zu befürchten, erklärten sie. Die Verteidiger sprachen damals zudem von einem gewollten „öffentlichkeitswirksamen Schauprozess“.
Nun nimmt das Leipziger Landgericht einen neuen Anlauf. Mehr als zwei Jahre nach dem Vorfall sollen etwa 30 Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständige gehört werden. Bis Dezember sind zehn Verhandlungstage terminiert. Bei einer Verurteilung drohen Ofarim laut Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Der Beschuldigte ist der Sohn des bekannten israelischen Sängers Abi Ofarim (1937-2018).
Mendel: Einzelfall Gil Ofarim
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Meron Mendel, sieht in dem Fall „eine Steilvorlage für Antisemitismus“. Dass Ofarim zur Zielscheibe wurde, wäre – sofern es sich bestätigt – mit seinem Verhalten zu erklären, aber Antisemitismus sei dennoch nicht zu entschuldigen.
In Folge des Hamas-Terrors vom 7. Oktober gebe es jetzt „eine extreme Zunahme an antisemitischen Hasstaten in Deutschland“, sagt Mendel. Diesen Straftaten sollte seiner Ansicht nach dieser Tage die Aufmerksamkeit gebühren. „Wir haben ein ernsthaftes Problem mit Antisemitismus in Deutschland, daran ändert der Einzelfall Gil Ofarim nichts“, sagt Mendel.