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“In einer guten Freundschaft gibt es kein Aufrechnen”

Jeder Mensch braucht Freunde und soziale Kontakte, ist Annika Boss von der Ökumenischen Psychologischen Beratungsstelle in Albstadt-Ebingen (Zollernalbkreis) überzeugt. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt die Psychologin, was gute Freunde ausmacht, und gibt Tipps, wie man welche findet.

epd: Am 30. Juli ist der Internationale Tag der Freundschaft: Warum sind Freundschaften aus psychologischer Sicht so wichtig?

Boss: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Ohne soziale Kontakte verkümmert unsere Psyche. Heutzutage hat nicht jeder eine Familie in der räumlichen Nähe, um dort soziale Beziehungen zu leben. Umso wichtiger ist es deshalb, dass es andere Menschen gibt, die uns unterstützen. Außerdem können wir diese Kontakte, anders als in unserer Herkunftsfamilie, selbst wählen und somit die Zeit mit Menschen verbringen, die unsere Interessen, Werte und Weltanschauungen teilen.

epd: Was zeichnet einen guten Freund oder eine gute Freundin aus?

Boss: Die Antwort auf diese Frage ist so unterschiedlich wie die Menschen, die sie betrifft. Generell lässt sich aber festhalten, dass gute Freundschaften von gegenseitiger Unterstützung, Respekt und Interesse aneinander geprägt sind. Eine gute Freundschaft ist ein Geben und Nehmen, in ihr gibt es kein Aufrechnen. Mit einem Freund oder einer Freundin kann ich in guten Zeiten lachen, schöne Erlebnisse und Interessen teilen. Aber auch in schweren Zeiten werden Freunde an meiner Seite sein, auch wenn sie dann nicht viel mehr tun können, als diese mit mir gemeinsam auszuhalten.

epd: Viele Menschen leiden unter Einsamkeit – haben Sie Tipps, wie es möglich ist, Freundschaften zu schließen?

Boss: Überlegen Sie sich, wofür Sie sich interessieren, worüber Sie gerne sprechen oder was Sie gerne unternehmen. Dann suchen Sie Orte auf, die für ihre Interessen stehen, wie Konzerte, Museen, die Natur oder das Fitnessstudio…. An diesen Orten werden Sie unweigerlich auf Menschen treffen, die ähnliche Interessen haben wie Sie selbst.

Dann ist es auch leichter, miteinander ins Gespräch zu kommen, da es schon ein Gesprächsthema gibt. Das hilft, sich zu öffnen, und ein weiteres Treffen ergibt sich oft von ganz alleine. Auch Vereine, gemeinnütziges Engagement oder kirchliche Angebote können einen tollen Rahmen bieten, um Freunde zu finden. Denn sie sind ein organisierter Treffpunkt für Menschen, die „Gleichgesinnte“ sind, weil sie ein Interessengebiet miteinander teilen. (1704/28.07.2024)