Wenn Heinrich Bedford-Strohm nicht gerade für den Weltkirchenrat überall auf der Welt unterwegs ist oder als Professor etwa im südafrikanischen Stellenbosch Vorlesungen hält, sitzt er gerne in seinem Tiny-House-Bauwagen an der Mecklenburgischen Seenplatte. „Ich bin hier zwar in der Pampa, aber das Weltgeschehen landet trotzdem bei mir“, sagt der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und frühere bayerische Landesbischof. An Ruhestand denkt er nicht, als Vorsitzender des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) hat er gut zu tun. Am 30. März wird der Theologe 65 Jahre alt.
Kurz nach seinem Abschied aus dem Bischofsamt hat Bedford-Strohm zusammen mit seiner Frau Deborah München den Rücken gekehrt – zumindest größtenteils. Ein Ein-Zimmer-Appartement haben sie dort, um ein eigenes kleines Zuhause bei den regelmäßigen München-Visiten zu haben. Den „ganzen materiellen Ballast“, der in die Bischofswohnung am Englischen Garten gepasst hat, hat das Paar hinter sich gelassen. „Weniger ist mehr“, sagt Bedford-Strohm, „und ich meine das ganz ohne moralischen Zeigefinger“. In die beiden Bauwagen, die beide auf einem Biohof bei Neustrelitz bewohnen, passt nur wenig hinein: „Ich finde das befreiend.“
Wenn Bedford-Strohm dann dort an seinem Schreibtisch sitzt, mit Blick auf die Äcker, Weiden und Wiesen, kann es schon sein, dass manchmal „Miss Moni“, das Hängebauchschwein des Biohofs, bei ihm vorbeischaut. Oder auch das Schaf Heini. „Die Stadt fehlt mir gar nicht“, sagt er. Und das liegt sicher auch daran, dass er gut die Hälfte der Zeit nicht im Bauwagen lebt. Denn als Vorsitzender des Weltkirchenrats – auch Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) genannt – hat er einen vollen Terminkalender. Das Ehrenamt hat er Ende 2022 für acht Jahre angetreten. „Ich habe nicht vor, danach noch mal ein zeitaufwendiges Amt anzunehmen“, sagt er.
Der evangelische Theologe, der in seiner Zeit als Bischof und EKD-Ratsvorsitzender bundesweit bekannt und schnell zu dem Gesicht der evangelischen Kirche schlechthin wurde, stammt aus einer Pfarrersfamilie. Am 30. März wurde er in Memmingen am Rand des Allgäus geboren, später zog er mit seiner Familie nach Coburg in Oberfranken. Nach seinem Studium in Erlangen, in Heidelberg bei Wolfgang Huber, und in Berkeley (USA) ist er 1997 zum Pfarrer der bayerischen Landeskirche ordiniert worden. Von 2004 bis 2011 war er als Professor an der Uni Bamberg tätig, ehe er Landesbischof und von 2014 bis 2021 EKD-Ratsvorsitzender wurde.
Als Bischof wurde Bedford-Strohm zum gefragten Gesprächspartner – viele Male war er zu Gast in Talkshows oder für Interviews in große Nachrichtensendungen zugeschaltet. Als wohl erster leitender Geistlicher nutzte er soziale Medien zur Kommunikation, was ihm den Titel „Facebook-Bischof“ einbrachte. Auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegungen begrüßte er mit Kardinal Reinhard Marx am Hauptbahnhof München Geflüchtete. Als Vertreter einer öffentlichen Theologie scheute er sich auch nie, klar Position zu beziehen – oder zu handeln, etwa indem er die kirchlich mitfinanzierte Seenotrettung Geflüchteter in Europa mit auf den Weg brachte.
Schon nach dem Ende seiner Bischofszeit Ende 2023 sagte Bedford-Strohm, er sei „kein Bilanz-Typ“. Das betont er auch kurz vor seinem halbrunden Geburtstag. Der Blick zurück sei nicht seins, „ich schaue eher nach vorne und fühle mich auch eher in der ‘Mitte des Lebens’ als am Ende“. Allerdings blicke er „mit einer großen Dankbarkeit“ auf all das zurück, was er habe machen und erleben dürfen, auch und gerade in seinen Ämtern als bayerischer Landesbischof, Ratsvorsitzender der EKD und Vorsitzender des Weltkirchenrats. „Mit meinem heutigen Wissen würde ich natürlich manches anders machen – ich habe bei einigem dazugelernt“, sagt er.
Angesichts der politischen Verwerfungen komme den Kirchen weltweit eine enorme Bedeutung zu, findet er. Der Weltkirchenrat sei als Vertretung für Kirchen mit 600 Millionen Mitgliedern „mit Papst Franziskus sehr eng“ in vielen Punkten wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit sowie Migration. „Wenn die Politik diese wichtigen Themen nicht konstruktiv bearbeitet, ist es auch Aufgabe der Kirchen, genau dafür intensiv zu werben“, betont der Theologe. Er wolle „weiter für die Demokratie kämpfen“: „Es darf uns als Christen einfach nicht egal sein, wenn ein Präsident zum Erlöser hochstilisiert wird oder hierzulande Rechtsextreme salonfähig werden.“