WASHINGTON – Der Mann ähnelt mit seinen knapp 1,90 Meter und geschätzten drei Zentnern Gewicht dem Soulsänger Barry White. Und wenn er spricht, fühlt man sich an Martin-Luther King, den Führer der US-Bürgerrechtsbewegung, erinnert. Wo er auftritt, schlägt er Menschen in seinen Bann, während er die Mächtigen das Fürchten lehrt. Er wirkt.
Reverend William Barber ist ein Phänomen. Erst nur in North Carolina, ist der 53-Jährige inzwischen im ganzen Land bekannt – Trump sei Dank. Der schwarze protestantische Pfarrer aus Goldsboro hat das Zeug, der religiösen Opposition gegen den Präsidenten ein Gesicht zu geben. In jedem Fall verschafft er ihrer Stimme Gehör.
„Wir brauchen eine moralische Revolution“
Barber bringt sie zusammen: Schwarze und Weiße, Latinos, Vertreterinnen der Frauenbewegung, Protestanten, Juden, Muslime, liberale Katholiken, die sich von Papst Franziskus neu erweckt fühlen, und die so genannte LGBT-Szene, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Noch nie seit den Protesten gegen den Vietnamkrieg Ende der 1960er Jahre habe die religiöse Linke in den USA so viel Lärm gemacht wie heute, beobachtet die „New York Times“.
Der charismatische Barber hat gelernt, wie er diverse Grüppchen mit vielfältigen Anliegen zu einer Bewegung zusammenschweißt. Bereits als junger Pfarrer in Martinsville, Virginia, hatte er sich in der Unterstützung für schwarze Arbeiter, die eine Gewerkschaft gründen wollten geübt. Damals scheiterte er grandios.
Warum? Der Reverend der evangelischen Kirche „Disciples of Christ“ hatte nur mit Schwarzen kooperiert und die armen weißen Arbeiter und deren Geistliche übersehen. Der Bürgerrechtler begriff, dass er, um Erfolg zu haben, die verschiedener Ethnien, Geschlechter, Glaubensrichtungen, politische Lager auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zusammenbringen muss.
In North Carolina glückte ihm das im zweiten Anlauf. Als der Bundesstaat 2012 mit Pat McCrory einen der Tea Party nahestehenden Republikaner zum Gouverneur wählte, der dann zusammen mit der Mehrheit im Abgeordnetenhaus des Bundesstaates die Budgets auf dem Rücken der Armen, Behinderten und Wehrlosen zusammenschrumpfte, stellte sich der wortgewaltige Barber an die Spitze des Widerstands.
Seine „Moral Mondays“ zogen Woche für Woche mehr Menschen an, die gegen die rigorose Politik McCrorys protestierten. Immer wieder kommt es zu Verhaftungen wegen zivilen Ungehorsams. Auch Barber wurde schon abgeführt. Die Medien entdecken ihn und verstärken seine Stimme. Die „Moral Mondays“ werden so zur Geburtsstunde eines neuen Führers der Bürgerrechtsbewegung auf nationaler Ebene. Und sie finden Nachahmer in Georgia, South Carolina, New Mexico und Illinois.
Obwohl er damals noch ein Kind war, prägte den Pfarrerssohn der Mord an Martin Luther King 1968. Bis heute erinnert er sich, wie seine Mutter schreiend vor dem Fernseher zusammenbrach, als sie die Nachricht hörte. Kurz darauf kam sein Vater weinend durch die Haustür. Verstanden hat Barber das damals nicht. Aber es führte ihn auf einen Predigerweg, der Glaube und Gerechtigkeit untrennbar verband. Sie sind die Pole seines moralischen Universums, das Donald Trump nun herausfordert.
Kürzlich schrieb Barber dem Präsidenten einen Brief. Er lud ihn ein, in seine Kirche kommen, um über die Themen Armut und Gesundheitsversorgung zu sprechen. Der Prediger weiß, was auf dem Spiel steht. Ringt er doch selbst mit einer schweren Arthrose an der Wirbelsäule und im linken Knie, die ihn zu einem tief gebeugten Gang zwingt.
Spirituell aber ficht Barber aufrecht und mit flinker Klinge. Sein Thema ist einmal mehr die Verantwortung für den Nächsten. „Wir wissen, dass wir eine moralische Krise erleben, und wir brauchen eine moralische Revolution von Werten“, fordert er. Wer denke, dies sei eine politische Frage, die zwischen Linken und Rechten entschieden wird, der täusche sich. „Hier geht es um das moralische Zentrum.“
Wo Barber dieses verortet, daran lässt er keinen Zweifel. In der sozialen Botschaft der Bibel, die mehr über die Sorge um die Armen, Kranken und Gefallenen spreche und die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer geißele. Eine unbequeme Sicht, mit der sich der charismatische Prediger nicht nur Freunde macht – aber gewiss den Ruf rechtfertigt, auf den Spuren Martin Luther Kings zu wandeln.