Von Marianne Mayer, Christine Pohl und Brigitte Schirrmacher
Annerose Muller, Pfarrerin der Heilsarmee im Elsass, Mitglied des französischen Weltgebetstagskomitees, steckt auf der Karte die ökumenischen Hochburgen ab: In Paris und Straßburg wird der Weltgebetstag besonders oft gefeiert. In der Bretagne dagegen hat er bisher wenig Fuß gefasst. Dennoch strahlt sie Zuversicht aus: „Wir drucken 80000 Ordnungen und können mit unserer Kollekte weltweite Projekte für das Empowerment von Frauen unterstützen.“Das diesjährige Thema des Weltgebetstages ist eine Herausforderung, die weltweit verbindet: „Ich war fremd – und ihr habt mich aufgenommen.“ Eine Frauen-Begegnung im Oktober 2012 eröffnete acht Teilnehmerinnen aus Berlin und Brandenburg eine neue Sicht auf das Thema und das scheinbar bekannte Nachbarland. Sie hörten den französischen Frauen zu und werden an diesem Freitag ihre Anliegen in die gottesdienstliche Fürbitte aufnehmen. Die Idee des Weltgebetstages, ein ökumenisches Netzwerk zu spannen, wird dabei mit Leben gefüllt und zur gegenseitigen Stärkung genutzt.
Verborgen und versteckt
„Ich war fremd“ – In Paris, Stadt der großen Kunst- und Kulturgenüsse, erschien es kaum möglich, sich fremd zu fühlen. Doch wer in die vielen farbigen Gesichter schaut, merkt schnell, dass hier Menschen aus der ganzen Welt zusammenleben. Schon seit Jahrhunderten ist Frankreich ein Einwanderungsland. Im Zuge der Industrialisierung kamen Arbeiter aus Polen und Italien in die Bergbaugebiete, in den 1950er Jahren wurden sie aus den ehemaligen Kolonien angeworben. Im Laufe der Zeit holten sie ihre Familien nach und wurden in den „Banlieue“, den Vororten, angesiedelt, wo sie noch heute unter ärmlichen Bedingungen leben. Verborgen und versteckt leben dort auch die „sans papiers“ – Menschen ohne Papiere und Aufenthaltsstatus. „Ihr habt mich aufgenommen“ – Eve und Meena erzählten, wie sie als Sozialarbeiterinnen bei „La Cimade“ dem Flüchtlingselend begegnen. Im Pariser Vorort Massy betreuen sie Menschen, die etwa sechs Monate auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten, darunter viele Frauen mit Gewalterfahrungen. Über 2000 Ehrenamtliche, vor allem Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Ärztinnen und Ärzte, unterstützen sie dabei. Die ökumenische Flüchtlingsorganisation „La Cimade“ wurde in den 1930er Jahren als Reaktion auf Vertreibung im Nationalsozialismus gegründet.
Kein Asyl in der Kirche
„Ich war fremd“ – Asyl in der Kirche kann es in Frankreich nicht geben, so die reformierte Pfarrerin Agnes von Kirchbach, der wir im Pariser Vorort St. Cloud begegneten. Diakonische Arbeit darf eine Kirchengemeinde nicht leisten. Laizität, die strikte Trennung von Kirche und Staat in Frankreich, schränkt die Handlungsmöglichkeiten ein. Von Kirchbach hat „Antennen“ entwickelt: Kommen Menschen verspätet, mit unsicherem Auftreten in den Gottesdienst, weiß sie, dass Hilfe benötigt wird. Das Anliegen hört sie oft erst hinter der geschlossenen Kirchentür. Lebensmittel werden erbeten, Fahrscheine oder ärztliche Hilfe. Gibt sie etwas aus der Gemeindekasse, macht sie sich strafbar. Sie erzählte von der versteckten Not: Im Großraum Paris leben geschätzte 90000 Menschen ohne Wohnung, 14 Prozent der Kinder sind mangelernährt. Die Suppenküchen werden von Rentnerinnen aufgesucht, die sich keine warme Mahlzeit leisten können.„Ihr habt mich aufgenommen“ – In der persönlichen Begegnung mit drei Frauen des französischen Weltgebetstagskomitees erfuhren wir von der Motivation des 12-köpfigen Gremiums aus sechs christlichen Konfessionen, das die Gottesdienst-ordnung schrieb. In persönlichen Lebensgeschichten wollen sie Migrantinnen zu Wort kommen lassen, die erzählen, wie sie in Frankreich leben, wie fremd sie sich fühlen und wie sehr sie sich nach Verbundenheit sehnen.
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