Frust in der Bevölkerung nutzt kaum jemand besser für sich als US-Präsident Trump. Ein Psychologe erklärt, wie soziale Wut die Wahl entschieden hat – und was das mit der aktuellen Debatte um Spitzenforschung zu tun hat.
Extreme soziale Ungleichheit ist nach Worten eines Psychologen entscheidend für den Erfolg von Präsident Donald Trump. “Die Globalisierung hat in den USA eindeutige Gewinner und Verlierer produziert”, sagte Norbert Schwarz im Interview der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Juli-Ausgabe). Der gebürtige Pfälzer lebt seit über 30 Jahren in Amerika.
Die Wissensindustrien an den Küsten gehörten zu den Gewinnern, erklärte Schwarz. “Die Verlierer sind die traditionellen Manufakturindustrien, die überwiegend im Mittleren Westen sitzen. Dort zerfallen die Fabriken. Auch die Landwirtschaft hat verloren.” Studien zufolge sei die Lebenserwartung der weißen Arbeiterschicht zuletzt gesunken – wegen zunehmender Fälle von sogenanntem Tod durch Verzweiflung, also etwa durch Drogenabhängigkeit.
Trump habe es geschafft, “die Schmerzen des sozialen Wandels und die Hoffnungslosigkeit der Abgehängten in Ärger zu verwandeln”, sagte der Wissenschaftler. “Es ist etwas Negatives passiert – und dieser oder jener ist daran Schuld. So funktioniert Ärger.” Aus dieser Emotion wüchsen wiederum Rachegelüste, die Trump im Wahlkampf bedient habe: “Er hat gesagt: ‘Ich bin eure Vergeltung’.” Wenn die Aufmerksamkeit auf die Themen verengt sei, die einen ärgerten, verliere man zudem das Gefühl, ausgewogen sein zu müssen – neue Ungerechtigkeiten störten einen also weniger.
Zu den jüngsten Kürzungen der Hochschulförderung sagte Schwarz, es sei nicht im Sinne des Landes, die Spitzenforschung zu kappen – “auch nicht im Sinne von Trumps Geldgebern, die auf die Ergebnisse der Forschung angewiesen sind”. Derzeit spielten die Hochschulen auf Zeit und hofften auf die Midterms, die Zwischenwahlen zum US-Kongress im kommenden Jahr. “Falls die Kürzungen langfristig so realisiert werden, wie jetzt angedroht, sind die Konsequenzen verheerend.”
Mit einer massenhaften Abwanderung deutscher Forschender rechne er indes nicht, so der Psychologe. “Ein paar einzelne wird es vielleicht geben, aber keine große Welle.” Das liege auch daran, dass die Förderung vor allem den Spitzen-Unis zugute komme und die Mehrzahl der Hochschulen von den Maßnahmen kaum betroffen sei – und in Yale, Harvard und Co. seien “die Arbeitsbedingungen immer noch viel zu gut”.