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Hoch bedrohtes “Juwel” im Karlsruher Zoo

Das Exotenhaus im Zoo Karlsruhe ist seit Mitte November um eine Attraktion reicher. Als erstem Zoo in Europa ist es den Karlsruhern geglückt, Jungtiere der Rio-Pescado-Stummelfußkröte zu züchten. „Die Stummelfußkröte ist ein kleines Juwel im Zoo, das leicht übersehen wird“, sagt Timo Deible vom Zoo Karlsruhe dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ein Affe fällt eher ins Auge, und ein exotischer Vogel verschafft sich Gehör. Die Stummelfußkröte mit dem lateinischen Namen „Atelopus balios“ dagegen muss man zwischen Pflanzenblättern suchen. Gerade drei bis vier Zentimeter groß ist das hell- bis olivgrüne Tier mit den schwarzen Punkten. „Je nach Feuchtigkeit leuchtet die Kröte hellgrün oder im trockenen Zustand dunkel“, erklärt Zoo-Sprecher Deible. Auffallend lange und schlanke Beine geben der Stummelfußkröte eine zierliche Anmutung. Ihren Namen erhielt sie wegen der ersten beiden Zehen, die stark zurückgebildet sind, Stumpen gleich.

Die Rio-Pescado-Stummelfußkröte galt bei der Weltnaturschutzunion bereits als ausgestorben. „1995 wurde sie letztmals dokumentiert“, sagt Zootierarzt Lukas Reese. Forscherteams entdeckten 2010 einige Tiere im Regenwald. Heute findet sich dir Kröte auf der Liste der 100 am stärksten bedrohten Arten der Welt wieder.

In Ecuador werden die Tiere seit ihrer Wiederentdeckung in einem Artenschutzzentrum in Menschenobhut gehalten. Im Centro Jambatu ist es bereits mehrfach gelungen, Stummelfußkröten nachzuzüchten. Über die Organisation Citizen Conservation kamen im Juni 2023 aus Südamerika die erwachsenen Tiere nach Karlsruhe. Bei Citizen Conservation arbeiten Zoos, Forschungseinrichtungen und engagierte Privathalter zusammen, um gesunde Reservepopulationen durch gezielte Zucht aufzubauen.

Gefährdet ist die gesamte Amphibiengattung nicht nur durch die Vernichtung ihrer Lebensräume. Seit den 1980er Jahren bedroht sie ein aggressiver Hautpilz, der Chytridpilz. „Von 130 Arten sind bereits viele ausgestorben, am stärksten bedroht ist die Stummelfußkröte“, sagt Reese. Der Kurator für Amphibien und Reptilien am Karlsruher Zoo war selbst mehrfach in Ecuador, um den Transport der selten gewordenen Tiere zu organisieren. Im Juni war es dann so weit: Die Maschine mit den erwachsenen Rio-Pesacado-Stummelfußkröten landete in Deutschland.

Die Nachzucht der zierlichen Kröte stellte den Zoo vor Herausforderungen. „Bei so einem kleinen Organismus muss alles stimmen“, sagt Reese. Die Schwierigkeit bestehe in der Begleitung der Metamorphose. Als Kaulquappen leben die Babys der Stummelfußkröte im Wasser und ernähren sich von Algen. Um zu überleben, benötigen sie sehr reines Wasser: sauerstoffreich, niedrige Fließgeschwindigkeit, wenig organische Substanzen. Nach 90 bis 120 Tagen werden sie zu Landgängern mit ausgebildeten Gliedmaßen. Erst dann gilt die Zucht als Erfolg.

Aus im Wasser lebenden Vegetariern sind Fleischfresser geworden. Die Nahrung der nur fünf Millimeter großen Landgänger besteht aus speziell gezüchteten, winzig kleinen Mehlwürmern. Mit anderthalb Jahren ist die Stummelfußkröte geschlechtsreif und kann zur erneuten Nachzucht eingesetzt werden.

Bei den Stummelfußkröten in Karlsruhe handelt sich um die erste europäische Nachzucht. Mittlerweile soll es auch einem zweiten Zoo in Europa gelungen sein, die Art zu züchten. Offiziell bestätigt wurde das noch nicht. „Ziel ist es, dass mehrere Zoos in Europa diese Art halten“, sagt Zoo-Sprecher Timo Deible.