Artikel teilen:

Haus für wohnungslose Frauen in München eröffnet – neuer Ansatz

Obdachlosigkeit ist ein wachsendes Problem in deutschen Städten. Lange versuchte man das Problem mit zeitlich befristeten Unterbringungen zu lösen. Nun gibt es einen neuen Ansatz. Er heißt “Housing First”.

Neue Chance für Frauen, die auf der Straße oder in Notunterkünften leben: In München ist am Freitag eine Einrichtung mit 32 Appartements für wohnungslose Frauen eröffnet worden. Innovativ an dem Projekt namens “Lebensplätze” ist der “Housing-First-Ansatz”. Dabei hat die möglichst dauerhafte Unterbringung Vorrang vor allen anderen Hilfen. Das Wohnen ist an keine andere Bedingung außer die Mietzahlung geknüpft.

“Alle Beratungs- und Hilfsangebote sind freiwillig”, erläuterte die städtische Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Mit den “Lebensplätzen” stehe München “bundesweit in einer Vorreiterrolle”. Vermietet werden die Appartements vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF).

Nach Angaben des SkF München handelt es sich um die bayernweit erste Einrichtung dieser Art in Trägerschaft eines katholischen Wohlfahrtsverbands. Inzwischen sind alle 32 Plätze vergeben. “Die älteste Frau, die wir aufnehmen, ist 86”, erläuterte Einrichtungsleiterin Carmen Schwend. “Es gibt Frauen mit Fluchtbiografie, Bewohnerinnen, die psychisch krank sind, Alkohol wird sicher ein Thema sein, und zwei Katzen wurden auch schon angemeldet.” Viele seien “gezeichnet durch ihr Leben”.

Schwend fügte hinzu, den Frauen würden pädagogische, medizinische und hauswirtschaftliche Hilfen angeboten. “Wir wollen in ganz kleinen Schritten auf die Bewohnerinnen zugehen, immer wieder Kontakt suchen, aber sie eben zu nichts zwingen.” Aber manche wollten erst einmal gar nichts mit Sozialpädagoginnen zu tun haben. “Aus ähnlichen Einrichtungen in München wissen wir, dass wir da sicher auch eine hohe Frustrationstoleranz brauchen.”

Heidi Rösler, Vorstandsvorsitzende des SkF München, sagte: “Der Anteil älterer, wohnungsloser Frauen steigt. Sie haben schwierige Lebensphasen durchgemacht und sehr oft Gewalt erlebt. Wir wissen: Erst wenn diese Frauen ein sicheres Zuhause haben, können sie ihre anderen Themen angehen.” Dieses “moderne Konzept” gebe den Frauen ein Stück ihrer Würde zurück.

Die Stadt München hat die Baukosten für die zwei Gebäude mit 4,2 Millionen Euro bezuschusst und gibt auch Geld für den Betrieb der “Lebensplätze”. Diese Wohnform wird der Stadt zufolge in einem anderen Projekt für 26 Frauen bereits seit 2011 umgesetzt. Im Laufe des Jahres würden weitere 34 Appartements hinzukommen. Damit ist der Bedarf laut Münchner Sozialreferat vorerst gedeckt.

Nach dem Wohnungslosenbericht der Bundesregierung hatten 2024 mehr als 530.000 Menschen in Deutschland kein eigenes Dach über dem Kopf. Fast 80 Prozent von ihnen lebten in Notunterkünften, im Schnitt schon länger als zwei Jahre.

Der Ansatz “Housing First” wurde vor der Jahrtausendwende in den USA entwickelt. In Finnland und Österreich gibt es schon länger erfolgreiche Projekte dieser Art. In Deutschland werden sie seit 2018 in einigen Städten erprobt, etwa in Berlin, Bremen, Düsseldorf, Stuttgart und Nürnberg.