Zehntausende begeistern sich derzeit an den Aufführungen des Pop-Oratoriums „Luther“. Die Musik, die dem Spektakel Gewalt und Wucht verleiht, stammt vom Erfolgskomponisten Dieter Falk (aktuelle CD: „A Tribute to Martin Luther“). Seit Kurzem gibt der Ausnahmekünstler sein Wissen weiter: als Professor an der neuen Pop-Akademie in Witten. Was man dort lernt? Darüber sprach Dieter Falk mit Gerd-Matthias Hoeffchen.
Muss ich dich jetzt eigentlich mit Herr Professor anreden?
(Schmunzelt.) Ne, lass mal. Ich bin noch immer der Dieter.
Aber hast seit einigen Monaten eine Professur an der neuen Pop-Akademie in Witten.
Das ist richtig. Im Studiengang „Kirchenmusik Popular“ unterrichte ich die Fächer Klavier-Liedbegleitung und Musikproduktion. Aber als Dozent arbeite ich schon länger: An der Robert-Schumann-Musikhochschule in Düsseldorf habe ich seit vier Jahren eine Gastprofessur ebenfalls für Musikproduktion.
Du gehörst zur absoluten Spitze der hiesigen Musikszene. Du arbeitest mit Stars im Studio, produzierst Goldene Platten und Platinalben gleich dutzendfach, du bist als Live-Musiker gefragt und bringst als Komponist von zwei Pop-Oratorien Zehntausende in die Hallen und Stadien. Wie kommt jemand wie du zurück zu Hörsaal und Seminarraum?
Ich habe sehr gerne mit Menschen zu tun und hatte einfach Spaß an der Idee, wieder öfters zu unterrichten. Als dann vor vier Jahren die Anfrage von der Robert-Schumann-Hochschule kam, ob ich mir vorstellen könnte, dort als Gastprofessor zu arbeiten, dachte ich mir: Probieren wir aus, ob es den Studierenden und mir gefällt.
Und?
Es macht mir große Freude, und die Tatsache, dass ich als Dozent mit einem Bein immer noch im Musikbusiness stehe, ist für die Studenten sowohl in Düsseldorf als auch Witten von Vorteil, weil sie im Idealfall nach Abschluss des Studiums gleich in der Musikbranche oder an Kirchengemeinden weiterempfohlen werden.
Ich versuche, den jungen Leuten nicht nur Wissen und Handwerk beizubringen, sondern Leidenschaft und Begeisterung für die Musik zu vermitteln, gerade auch in der Frage, welche Rolle die so genannte Popularmusik als ernst zu nehmende Kunstform spielt.
Gibt es denn da immer noch Vorbehalte: E- und U-Musik, Klassik ist anspruchsvoll, Pop banal?
Es hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Gerade in den Kirchen und Gemeinden ist der Wunsch nach Popkantoren sehr groß, aber in einigen Köpfen existieren leider immer noch derartige Vorurteile.
Es gibt mittlerweile Pop-Kantoren wie Matthias Nagel in der Evangelischen Kirche von Westfalen…
… Matthias ist einer derjenigen, die sich da große Verdienste erworben haben. Er hat als einer der ersten Popularmusik in die Ausbildung der klassischen Kirchenmusiker eingebracht, und Herford war als Kirchenmusik-Institut federführend dabei.
Leider gibt es immer noch viele, die sich gegen Popularmusik wehren; an manchen Stellen, besonders im katholischen Bereich. Aber seien wir ehrlich: In zehn Jahren werden wir alle darüber milde lächeln, weil die Wirklichkeit an der Basis die Kritiker eingeholt haben wird. Die richtige Mischung aus klassischer Musik und Popularmusik, wie wir sie an der neuen Pop-Akademie lehren, kann da wegweisend sein.
An der Pop-Akademie in Witten wird also nicht nur Pop unterrichtet?
Nein. Man lernt auch an der Kirchenorgel zu spielen oder Chordirigat. Etwa drei Viertel der Ausbildung sind Pop, Rock und Jazz, ein Viertel ist Klassik.
Wer kommt zum Studium?
Wir haben C-Musiker, die sich weiterbilden wollen; aber auch die, für die Musikktheorie komplettes Neuland ist. Im ersten Jahrgang sind neun Studierende aus ganz Deutschland, Alter von 19 bis Ende 20, vier Mädchen und fünf Jungs, einer ist Katholik. Klassik, Praise and Worship, Rockband – da treffen ganz unterschiedliche Eingangslevel aufeinander. Aber unsere Dozenten sind darauf eingestellt.
Was lernen die Studis da?
Wir vermitteln eine solide Allround-Ausbildung. Dazu gehören die klassischen Grundlagen wie Harmonielehre und Gehörbildung. Es gibt die Hauptfächer Klavier oder Gitarre. Dazu kommt Chorleitung, Musikgeschichte-Pop/Rock/Jazz, Groove, Bandleitung und vieles mehr.
Daneben setze ich einen besonderen Schwerpunkt bei Tontechnik und Musikproduktion. Zum Beispiel Mikrofonierung: Wie nehme ich einen Chor ab? Wo stellt man beim Schlagzeug oder Flügel die Mikros auf? Umgang mit Mischpult und den Arrangier- und Schnittprogrammen am Computer, etwa „Logic“.
Nimmst du die Studierenden mit in dein Studio?
Klar! Alle zwei Wochen verbringe ich zwei Tage mit ihnen; einen davon bei mir zuhause in meinem eigenen Tonstudio in Düsseldorf. Da machen wir eine Jam-Session, nehmen Songs auf, arrangieren Singback oder Teach-me-Tracks auf …
… Was ist das?
Das sind Hilfen beim Proben mit Bands oder Chören: Musikstücke, bei denen man die Tonspuren – also Instrumente und Gesangsstimmen – je nach Bedarf unterschiedlich zusammenstellt und gewichtet. Beispiel: In vielen Chören können nicht alle Noten lesen, also nimmt man das Chorstück mit einem kleinen Playback und den vier Stimmen auf und mischt zum Beispiel den Sopran so laut, dass alle Sopransängerinnen ihre jeweilige Stimme gut hören können.
Nach diesem Prinzip haben übrigens viele tausend Sänger und Sängerinnen das Luther Pop-Oratorium einstudiert. Unseren Studierenden macht besonders Spaß, wenn sie sich selbst aufnehmen und abmischen können.
Dürfen die auch mit zu Aufführungen?
Auf jeden Fall. Live-Betrieb ist ganz wichtig. Die Studierenden sind zum Beispiel bei den großen Aufführungen zum Pop-Oratorium „Luther“ dabei, backstage beim Aufbau und den Proben. Und sie singen alle im Chor mit. Das Luther-Oratorium ist derzeit mit die größte Musikproduktion in Deutschland. Wir haben sieben LKWs mit Technik, allein die Mikrofonierung für den Chor aus bis zu 3000 Sängerinnen und Sängern ist eine gewaltige Herausforderung. Das erleben die Studierenden alles aus nächster Nähe.
Du sagst, ihr trefft euch alle 14 Tage?
Ja, ich habe an der Pop-Akademie eine halbe Stelle. Insgesamt sind wir dort 17 Dozenten. Zum Beispiel Ingomar Kury als Dozent für Orgel, Timo Böcking und Christoph Spengler für Klavier. Professor Hartmut Naumann leitet das Institut als Prorektor und unterrichtet Gitarre. Er verfügt über große Erfahrung, auch durch seine damalige Ausbildungsleitung von B-Popkantoren in der Nordkirche. Darüber hinaus ist er ein Organisationsgenie, was bei einem neuen Studiengang sehr hilfreich ist.
Wenn jemand an der Pop-Akademie studieren will – welche Voraussetzungen muss er oder sie erfüllen?
Zuerst einmal: Wir nehmen keine Studiengebühr, sondern nur einen kleinen Semesterbeitrag, in dem das Nahverkehrsticket enthalten ist. Aber wir haben eine Aufnahmeprüfung, die nächste im Juli.
Da gilt: Klavier oder Gitarre sind die Hauptfächer und natürlich prüfen wir auch Singen und Chorleitung. Aber nicht das Einzelfach ist entscheidend. Wir wollen gute „Allrounder“. Worauf es uns ankommt: Er oder sie soll für die Musik brennen. Beruflich davon leben wollen, sich ganz darauf einlassen. Man muss Spaß haben, mit Chören zu arbeiten, mit Bands und Gruppen. Vor Menschen zu treten und aufzutreten. Und ganz wichtig: Man muss bereit sein und es wirklich wollen, Gottesdienste mit kulturell frischem Wind zu bereichern. Darum geht es doch.
Man muss also nicht schon als Klavier-Virtuose bei euch auflaufen?
Vielleicht ist jemand kein „Crack“ am Klavier. Aber er kann einen Chor super leiten. Oder er hat eine tolle Stimme. Vielleicht schreibt jemand leidenschaftlich und gut bereits eigene Lieder. Das alles kann im Einzelfall eine verheißungsvolle Voraussetzung sein. Vieles kann man ja noch lernen. Dafür sind wir ja da, um es beizubringen. Aber die Leidenschaft für Musik – die muss vorhanden sein.
Wer jetzt darauf Lust bekommen hat oder jemanden kennt, den das interessieren könnte: Unser nächster Infotag ist am 1. April in unseren tollen neuen Räumen in Witten.
Wir freuen uns auf viele Interessierte für unseren zweiten Jahrgang.