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Podiumsdiskussionen an Schulen: Die Krux mit der AfD

Vor den Wahlen organisieren viele Schulen Podiumsdiskussionen mit Parteivertretern. Doch wie soll man mit der AfD umgehen? Keine ganz einfache Sache, wie ein Fall aus Hamburg zeigt.

Vor Wahlen organisieren Schule Podiumsdiskussionen. Doch wie soll man mit der AfD umgehen?
Vor Wahlen organisieren Schule Podiumsdiskussionen. Doch wie soll man mit der AfD umgehen?Imago / Bihlmayerfotografie

Schülerinnen und Schüler sollen sich ein direktes Bild von Parteien und ihren Menschen machen können. Dafür gibt es Podiumsdiskussionen mit Parteivertreterinnen und -vertretern. Die Frage ist nur: Wie gehen Schulen mit der AfD um? Bei einer geplanten Podiumsdiskussion an der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule sollte neben SPD, CDU, FDP, Grünen, Linken auch die AfD auf dem Podium sitzen. Die Veranstaltung wurde drei Tage vor dem Termin abgesagt, der Organisator war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Zuvor hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg kritisiert, dass hier der teilweise rechtsextremistischen Partei eine Bühne geboten werde. „Die AfD ist keine normale Partei, man sollte ihnen möglichst keine Gelegenheit geben, ihre teilweise menschenverachtenden Themen vor Jugendlichen auszubreiten“, sagt Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg. Am 2. März dürfen viele Schülerinnen und Schüler der Oberstufe zum ersten Mal die Hamburger Bürgerschaft wählen. Vor den Bundestags- und Bürgerschaftswahlen finden an Hamburger Schulen im Rahmen des Unterrichts regelmäßig Podiumsdiskussionen mit Politikerinnen und Politikern statt.

AfD spricht von “fehlgeleitetem Demokratieverständnis”

Die AfD Hamburg hält dagegen: „Wir leben in einer Demokratie, und die AfD ist eine demokratische Partei, die selbstverständlich am Diskurs teilhaben muss“, sagt AfD-Landeschef Dirk Nockemann. Versuche, die AfD auszuschließen, würden ein „völlig fehlgeleitetes Demokratieverständnis“ belegen. Nockemann: „Die AfD ist in Umfragen die zweitstärkste Kraft und muss angehört werden, deshalb gehört die AfD auf das Podium.“

Grundsätzlich gilt für staatliche Schulen eine Neutralitätspflicht, weshalb bei solchen Veranstaltungen auch die AfD eingeladen werden muss – anderenfalls drohen Disziplinarverfahren. Geregelt ist das in Bestimmungen der Hamburger Schulbehörde. „Allen in der Bürgerschaft oder dem Bundestag vertretenen Parteien muss eine Teilnahme ermöglicht werden“, heißt es von der Behörde. In der Bürgerschaft zählt die AfD seit 2015 dazu. Dabei hat die Behörde beobachtet, dass immer wieder Veranstaltungen abgesagt wurden, weil das Einladen von Vertretern einer extremistischen Partei „eine massive Gegenwehr an der Schule und seinem Umfeld hervorruft“.

Die Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg hat eine Podiumsdiskussion abgesagt (Archiv)
Die Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg hat eine Podiumsdiskussion abgesagt (Archiv)Imago / Funke Foto Services

Die Gewerkschaft hält es grundsätzlich für „richtig und wichtig“, dass sich Jugendliche mit verschiedenen politischen Positionen auseinanderzusetzen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Quiring: „So können Schülerinnen und Schüler die Themen der AfD kritisch einordnen und vielleicht auch mit dem Grundgesetz abgleichen.“ Manche Parolen würden dem Grundgesetz widersprechen.

Debatten an Schulen auch ohne AfD möglich

Laut GEW können Podiumsdiskussionen auch ohne AfD veranstaltet werden. „Das Neutralitätsgebot gilt nur, wenn es sich um eine offizielle Schulveranstaltung handelt“, erklärt Quiring. An Schulen könnten auch außerschulische Veranstaltungen stattfinden, solange Eltern oder Schüler die Organisation außerhalb des Unterrichts übernehmen. Die GEW würde ein solches Vorgehen empfehlen.

„Die AfD instrumentalisiert das Neutralitätsgebot, um rechtspopulistische Themen gesellschaftsfähig zu machen“, sagt Quiring. Lehrkräfte seien verpflichtet, ihren Schülerinnen und Schülern keine Meinung aufzuzwingen und kontroverse Themen als solche darzustellen. Laut GEW darf dieses Neutralitätsgebot jedoch nicht mit Wertneutralität verwechselt werden. Wenn etwa AfD-Politiker den Mord an sechs Millionen Juden und 50 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg relativieren, müssten Lehrkräfte das im Unterricht kommentieren, um der ahistorischen Relativierung oder möglicherweise gar der strafrechtlich relevanten Leugnung des Holocaust zu begegnen, hieß es.

Private Schulen dürfen AfD ausladen

„Schule hat den klaren Auftrag, Schülerinnen und Schülern die freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte zu vermitteln, und basiert auf den Werten des Grundgesetzes“, sagt Quiring. Als gesetzliche Aufgabe sollen Hamburger Schulen auch die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler stärken, für „ein friedliches Zusammenleben der Kulturen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten“.

Für die private St.-Ansgar-Schule spielen zudem christliche Werte eine zentrale Rolle. Am katholischen Gymnasium findet am Freitag eine Podiumsdiskussion zur Bürgerschaftswahl mit Vertreterinnen und Vertretern der SPD, FDP, CDU, der Grünen und Linken statt. Die AfD wurde nicht eingeladen. Für eine kirchliche Privatschule sei das auch rein rechtlich kein Problem, ein Disziplinarverfahren müsse sie nicht fürchten, sagt Christopher Haep, Abteilungsleiter Schule und Hochschule des Erzbistums Hamburg. Dass die AfD nicht dabei ist, begründet er mit der klaren Positionierung der deutschen Bischöfe und ihrem „Nein zu rechtsextremen Parteien und solchen, die am Rande dieser Ideologie wuchern“.

Repräsentanten von Parteien, „die rechtsextreme und rechtspopulistische Positionen vertreten und die am Rande dieser Ideologien stehen, die die Menschenwürde missachten und somit dem christlichen Menschenbild widersprechen, geben wir an unseren Schulen keinen Raum, den sie für ihre Propaganda nutzen könnten“, betont Haep.