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Habemus Papam – Münchner Papstkrone wieder an Ort und Stelle

Am Sonntag musste ein Münchner Pfarrer mitten in der Messe 20 Meter auf den Hochaltar hinaufsteigen – schon zum zweiten Mal in zwei Wochen. Weil es einen neuen Papst gibt und dazu einen alten Brauch aus der Barockzeit.

München ist nicht nur die “nördlichste Stadt Italiens”. Im 18. Jahrhundert nannte man die Isarmetropole auch das “deutsche Rom”. Am römischsten ist München wenige hundert Meter südlich vom Neuen Rathaus. Dort gibt es auch einen Petersplatz. Und an Bernini erinnernde Säulen, allerdings nur am Hochaltar vom “Alten Peter”.

Jedes Mal, wenn in Rom ein Papst stirbt und ein Nachfolger gewählt wird, gibt es in Münchens ältester Pfarrkirche ein frommes Schauspiel mitzuerleben, dessen zweiter Akt an diesem Sonntag vor voll besetzten Kirchenbänken vollzogen wurde.

Als begeisterter Bergsteiger ist Pfarrer Daniel Lerch zum Glück schwindelfrei. Denn das “theatrum sacrum” – man pflegt im traditionsbewussten Alten Peter das Lateinische – ist mit einer alpinistischen Herausforderung verbunden. Die hat mit einer überlebensgroßen, in luftiger Höhe thronenden Petrusfigur im Zentrum des Hochaltars zu tun. Heute ist eine schmucklose Leiter vor Petrus platziert.

Der Apostelfürst ist seit zwei Wochen barhäuptig. Nach dem erfolgreichen Konklave ist es an der Zeit, ihm seine angestammte Kopfbedeckung wieder aufzusetzen: eine viereinhalb Kilogramm schwere Tiara aus vergoldetem Kupfer. Passieren sollte bei dem gut 20 Meter hohen Aufstieg nichts, denn die Papstkrone ist nicht versichert. Auch der Überbringer muss, die eine Hand an den Sprossen, in der anderen das kostbare Stück, ohne Sicherung auskommen.

Lerch setzt auf “reines Gottvertrauen”, wie er lachend verrät. Schließlich sei bei der Abnahme vor 15 Tagen, der Premiere für den Priester, auch alles gut gegangen.

Schon der Auftakt zu dem Spektakel wirkt wie perfekt inszeniert. Aufsteigende Weihrauchschwaden und von hinten einfallende Sonnenstrahlen tauchen den Altarraum in ein mystisches Licht. Dazu intonieren die bestens aufgelegten Ensembles der Kirchenmusik auf der Orgelempore Haydns Mariazeller Messe von 1782.

Der Pfarrer trägt einen goldbestickten Ornat. Seine Albe darunter fällt etwas kürzer aus als üblich. Doch an diesem besonderen Tag müssen ästhetische Gründe einem Schuss Pragmatismus weichen. Schließlich gilt es, auf den zwei wackligen Leitern eine Stolperfalle zu vermeiden. Zuvor wird die Tiara in einer ausführlichen Prozession durch alle drei Kirchenschiffe getragen, damit sie auch wirklich jeder der Anwesenden einmal aus der Nähe sehen kann.

Im echten Leben hat die Tiara schon länger ausgedient. Papst Paul VI. war 1963 der letzte Petrusnachfolger, der das Zeremoniell praktizierte. Bei der Thronbesteigung eines neuen Papstes sagte der Kardinaldiakon früher zum Neugewählten: “Empfange die mit drei Kronen geschmückte Tiara und wisse, dass du der Vater aller Fürsten und Könige bist, der Regierer der Welt und Stellvertreter unseres Herrn Jesus Christus auf Erden.”

Lerch sagt in der Predigt, in früheren Zeiten sei die Tiara als Zeichen des weltlichen Machtanspruchs der Päpste gedeutet worden. “Heute können wir froh sein, dass das Papsttum sich seit dem Verlust des Kirchenstaats 1870 wieder stärker als geistliche Autorität verstanden hat.”

1964 legte Paul VI. die Tiara ab und schenkte sie symbolisch “den Armen dieser Welt”. Zum Dank für die große Spendenbereitschaft der US-Katholiken kam sie nach Washington und wird dort seither in der Kathedrale “National Shrine” aufbewahrt. Hier schließt sich ein Kreis zur Gegenwart. Bekanntlich ist Leo XIV. gebürtiger US-Amerikaner.

Aus der Außendarstellung von Papst und römischer Kirchenleitung ist die Tiara aber keineswegs verschwunden. Zwar weigerten sich die Nachfolger von Paul VI. allesamt, ihnen angediente Papstkronen wieder aufzusetzen. In den offiziellen Wappen des Vatikanstaats sowie des Heiligen Stuhls, aber auch auf Stempeln, Schildern, Eintrittskarten, Briefmarken und offiziellen Schreiben des Vatikan blieb sie jedoch weiter präsent.

Im päpstlichen Wappen erinnern indes nur noch drei goldene Ringe auf einer Mitra an die einstige Dreifachkrone. Sie stehen klassisch für das dreifache geistliche Amt des Lehrens, Leitens und Heiligens. Eine auch von Nichtgläubigen geachtete moralische Autorität, die für den Zusammenhalt der Menschheitsfamilie arbeitet, sei heute vielleicht wichtiger denn je, sagt Lerch dazu.