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Große Ingenieurskunst in royalem Gemäuer

Bayerns König Ludwig II. (1845-1886) mochte es bekanntlich modern und exquisit – wie sehr, davon zeugen neu aufgetauchte historische Pläne zur technischen Ausstattung seiner Schlösser. Ludwig ließ sich zum Beispiel in Neuschwanstein über mehrere Stockwerke die aus England stammenden Water Closets (WC) mit fließenden Wasser einbauen. Das Wasser seiner farbig beleuchteten Venusgrotte in Schloss Linderhof sollte auf badefreundliche 28 Grad beheizbar sein. Dazu kamen ein Brunnen und ein Wasserfall auf Schloss Neuschwanstein sowie weitere ausgeklügelte Wasserspiele in Linderhof und auf Schloss Herrenchiemsee.

Vor 150 Jahren hätten Toiletten mit eingebauter Spülung und ein „Whirlpool“: Technik und Ingenieurskunst auf allerhöchstem Niveau bedeutet, sagt Alexander Wiesneth. Er ist Hauptkonservator in der Bauabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung und als Experte für die Königsschlösser mit der Auswertung der rund 200 Installationspläne beauftragt. Von deren Existenz erfuhr die Öffentlichkeit Ende Juli, er selbst im vergangenen Herbst, als er für eine wissenschaftliche Publikation mehrere Unternehmen anschrieb, die beim Bau von Ludwigs Schlössern mitgearbeitet hatten. Eine vielversprechende Antwort kam von einem Unternehmen aus Baden-Württemberg.

Das Unternehmen, das heute „Gas- & Wasserleitungs-Geschäft GmbH Stuttgart“ heißt, setzte ab 1874 alles um, was sich Ludwig II. an technischen Finessen in Badezimmern, Küchen und Parkanlagen seiner Schlösser wünschte. Seitdem lagerten im firmeneigenen Archiv, unbeachtet von der Öffentlichkeit, sämtliche Pläne, Gebrauchsanleitungen, Rechnungen und Schriftverkehr mit der Verwaltung des „Kini“. „Faszination pur. Ein richtiges Entdeckerfeeling“, beschreibt Wiesneth den Moment im November 2023, als er den Riesenstapel an Papieren zum ersten Mal gesehen hat. Die Pläne seien „eine Sensation, ein krasser Glücksfall“. Vor allem auch, weil sie so gut erhalten seien.

Die Pläne haben zwei Weltkriege und diverse Umzüge überlebt. Normalerweise würden so alte Papiere weggeworfen oder gingen verloren, erzählt Wiesneth. Am Ende einigte man sich mit Geschäftsführer Roman Stadelmaier auf eine Dauerleihgabe für zunächst zehn Jahre. Bei der Schlösserverwaltung seien die Pläne gut aufgehoben, sagt Stadelmaier. Im Unternehmen seien die Pläne zwar bekannt gewesen, auch auf der Homepage erzähle man von dem königlichen Auftrag aus Bayern. Für eine fachgerechte Aufbereitung fehlten aber Knowhow und Zeit. In der Schlösserverwaltung sollen die Pläne nun restauriert, digitalisiert und wissenschaftlich ausgewertet werden, sagt Wiesneth.

Im Juli hat Wiesneth die Pläne nach München gebracht, jetzt liegen sie ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch: von Hand gezeichnet, filigran, bis ins kleinste Detail, an vielen Stellen auch dreidimensional, im Quer-, Längs- und Grundschnitt, an vielen Stellen auch koloriert. So ist zum Beispiel zu sehen, dass mithilfe eines Heizraumes und Rohren das Wasser in der Venusgrotte auf Badetemperatur erwärmt werden konnte. Oder wie der Toilettengang von Ludwig II. auf Neuschwanstein ausgesehen haben könnte: Sobald man sich auf die hölzerne Toilettenschüssel setzte, startete mithilfe eines speziellen Mechanismus die Spülung. Die Spülkästen sind in den Plänen gut zu erkennen.

Laut Roman Stadelmaier waren Ludwigs Wünsche für die damalige Zeit durchaus herausfordernd. Allein der Transport der gefertigten Teile mit der Eisenbahn von Stuttgart zu den Schlössern sei ein riesiger logistischer Aufwand gewesen. Für die Installationen habe Ludwig – verglichen mit den Summen, die er für Kunst aus aller Welt ausgab – eher wenig gezahlt, sagt Wiesneth. Für das Stuttgarter Unternehmen, das später Hoflieferant für den württembergischen Hof wurde, bedeuteten die Königsschlösser damals wohl ein gewaltiges Renommee.

Wie Ludwig II. auf die Firma aufmerksam wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht habe es auch am Preis gelegen, meint Wiesneth. Das Unternehmen habe – schwäbisch geschäftstüchtig – damit geworben, prompt und zum günstigsten Preis zu liefern.