Von Cornelia Coenen-Marx(…) In diesen Wochen nun zeigt sich: Das Spannungsfeld zwischen Norm und Lebenswirklichkeit ist kein protestantisches Phänomen. Auch in dieser Hinsicht ist die Landschaft nicht mehr geteilt – und auch der Himmel über Deutschland nicht. Die Ergebnisse der „Familienumfrage“ aus dem Vatikan, die in diesen Wochen veröffentlicht wurde und unter dem Thema „Der Papst und der verdammte Sex“ Ende Januar sogar auf den „Spiegel-Titel“ gelangte, zeigen kaum Abweichungen zwischen den aktiven deutschen Katholiken und der Mehrheit der Bevölkerung. Schon die Transparenz, mit der die Ergebnisse von den Bischöfen selbst veröffentlicht wurden, macht klar: Der kirchliche Anspruch, Sexualität und Familienleben der Gemeindeglieder zu normieren, ist ins Leere gelaufen – und das schon seit der sogenannten Pillen-Enzyklika „Humanae Vitae“ aus dem Jahr 1968. Auch Katholiken richten sich in ethischen Fragen nach dem eigenen Gewissen; hinter die Freiheitsgeschichte der Aufklärung gibt es kein Zurück. Während also die Kritik in und an der evangelischen Kirche von denen kommt, die eine stärker normative Ausrichtung vermissen, wächst der Widerstand in der katholischen, wenn die Lebenswirklichkeit und die Autonomie der Gläubigen nicht ernst genommen werden. Insofern ist der Himmel dann doch noch geteilt – aber wo wir als Kirchen in ein offenes ökumenisches Gespräch kommen, können wir viel voneinander lernen. Im ökumenischen Pfarrkonvent in Osnabrück konnte ich neulich erleben, wie chancenreich das ist.(…)
Artikel teilen:
Geteilter Himmel
Eben stritt die Evangelische Kirche noch um das im Juni 2013 veröffentlichte Familienpapier, da überrascht das Ergebnis der Papst-Umfrage unter katholischen Christen über Ehe und Familie. Franziskus bat seine Bischöfe in Vorbereitung der Bischofssynode im Oktober 2014 die Laien zum Thema Familie zu befragen. Die Mehrheit kann mit dem, was Kirche zu Sexualität, Ehe und Familie sagt, wenig anfangen. Die Gläubigen fühlen sich in einer Welt der Brüche und vielfältigen Lebensentwürfe von ihrer Kirche alleingelassen. Sind sich evangelische und katholische Gläubige viel näher als gedacht? Von Cornelia Coenen-Marx