Beim Evangelischen Kirchentag in Hannover nutzt Olaf Scholz einen seiner letzten öffentlichen Auftritte, um sein politisches Vermächtnis zu betonen – und einen Seitenhieb zu setzen.
“Sie klatschen so viel”, ermahnt NDR-Moderatorin Christina von Saß das Publikum beim Evangelischen Kirchentag in Hannover. Sie spricht mit Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Montag aus seinem Amt ausscheidet, darüber, wie Menschen in herausfordernden Zeiten zuversichtlich bleiben können. Der Applaus tue ihm sicher ganz gut, mutmaßt von Saß. “Ja”, sagt Scholz. “Ich hab ihn auch schon früher gekriegt. Das hat aber nicht gereicht.”
Scholz nutzt diesen Auftritt am Freitag – einer seiner letzten als Bundeskanzler – um noch einmal deutlich zu machen, welche Themen ihm als Kanzler und Sozialdemokraten wichtig sind: “Respekt” zum Beispiel. Es könne nicht sein, dass sich derjenige, der im Restaurant etwas essen gehe, als etwas Besseres fühle als die Bedienung. Bei Bildung und Beruf stünde heute allen alles offen. “Wir müssen untereinander Respekt entwickeln für die unterschiedlichen Lebensentscheidungen”, forderte er.
Auch seinen Kurs im Ukraine-Krieg hob Scholz hervor – und verteidigte ihn erneut. “Ich habe Deutschland dazu geführt, dass wir die Ukraine massiv unterstützen, als zweitgrößter Unterstützer in der Welt und größter in Europa”, sagte er. Doch in den Medien habe es nur eine Debatte gegeben: Ob es genug sei. Er hätte stattdessen lieber mit den Skeptikern diskutiert und ihnen erklärt, “warum wir so viel tun müssen”. Doch die Zweifler der Waffenlieferungen hätten nur bei der AfD und den Linken Fürsprecher gefunden. “Diese Debatte hat es sonst nicht gegeben”, kritisierte er.
Dass sein eigener Kommunikationsstil oft als hölzern wahrgenommen worden sei – Stichwort “Scholzomat” – und seine Beliebtheitswerte sanken, habe ihm nicht viel anhaben können, bekundete der SPD-Politiker. “Man muss sich entscheiden, das Richtige zu tun und dann die Konsequenzen tragen”, so Scholz. Er zeigte sich überzeugt, dass seine Kanzlerschaft im Rückblick wohlwollender bewertet werden würde: “Ich denke schon, dass ich überwiegend das Richtige getan habe und dass das auch rauskommen wird.”
Er sei zudem “sehr glücklich”, dass die neue Bundesregierung die wichtigsten Dinge aus seiner Amtszeit nicht rückgängig gemacht habe. “Zum Beispiel die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrecht oder dass wird das Selbstbestimmungsrecht neu geordnet haben.” Das sei ein guter Fortschritt und bei dem bleibe es. Den Rausschmiss des damaligen Bundesfinanzministers Lindners bezeichnete er als “richtige Entscheidung”.
Scholz zeigte sich am Freitag norddeutsch-wortkarg, manche Fragen der Moderatorin beantwortete er mit einem schlichten “Ja” oder “Nein”, einmal sagte er: “Das geht Sie nichts an.” Von Saß hatte gefragt, wann er das letzte Mal geweint habe. Immerhin verriet der Noch-Kanzler so viel: Es sei schon länger her. Ob er mit Wehmut an den Abschied denke? “Bisher gehts mir ganz gut mit der Situation”, erklärte Scholz. Er freue sich auf das Plus an Freizeit und darüber, mehr gemeinsame Zeit mit seiner Frau zu haben.
Außerdem freue er sich auf seine Zeit als künftiger Abgeordneter. Stolz blickt Scholz offenbar darauf, insgesamt sechs Mal ein Direktmandat seines Wahlkreise geholt zu haben – in Hamburg-Altona und zuletzt in Potsdam. Ab Dienstag wird der 66-Jährige seine Arbeit als einfacher Bundestagsabgeordneter aufnehmen.
Zurück nach Osnabrück oder Hamburg zieht es den Politiker eigenen Worten zufolge nicht. In Osnabrück habe er “vom nullten bis dritten Lebensjahr” gelebt, sagte Scholz. “Da habe ich natürlich ganz detaillierte Erinnerungen dran”, witzelte er, um dann bissig hinterherzuschieben: “Ich bin fast versucht zu sagen, da sollte kein Untersuchungsausschuss kommen.”