Mit einer Gedenkstunde hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern am Mittwoch in Schwerin an die Befreiung vom Nationalsozialismus und das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren erinnert. „Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung“, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) laut Mitteilung der Schweriner Staatskanzlei. Die Freude über die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus sei eng verbunden mit Trauer. Es sei unmöglich, all die aufzuzählen, die unter Krieg und Nationalsozialismus gelitten haben. „Wir gedenken ihrer ohne Unterschied“, sagte die Regierungschefin.
Deutschland trage die Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. „Unsere Trauer ist nur dann aufrichtig, wenn wir sie mit einem klaren Bewusstsein von Verantwortung und Schuld verbinden. Wir, die wir heute leben, tragen persönlich keine Schuld an dem, was damals geschehen ist. Aber wir tragen Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert“, sagte Schwesig. „Wir müssen Demokratie, Freiheit und Frieden schützen, gerade in Zeiten, in denen antidemokratische Kräfte versuchen, Mehrheiten zu gewinnen.“
Auch heute würden an vielen Orten der Welt Menschen Opfer von Krieg, Rassismus, Antisemitismus und staatlicher Gewalt. „Man kann das nicht mit den Verbrechen des Nationalsozialismus vergleichen. Geschichte wiederholt sich nicht. Aber wir müssen den Anfängen wehren: den Angriffen auf unsere Demokratie, den Angriffen auf Menschen, die anders aussehen oder anders leben. Der Verharmlosung des nationalsozialistischen Unrechts. Dem Vergessen. Wir stehen heute und in Zukunft für Frieden, Freiheit, für eine offene Gesellschaft, für Menschenrechte und Selbstbestimmung“, sagte die Ministerpräsidentin.
Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) sagte laut Redemanuskript, der Krieg habe mehr als 60 Millionen Tote gefordert – „mit einem unvorstellbaren Ausmaß an Zerstörung, Verfolgung, Kriegsverbrechen wie Massenvernichtung und Zwangsumsiedlung durch das nationalsozialistische Verbrecherregime“. Unzählig viele Menschen seien vor den Schrecken des Krieges geflüchtet. „Menschen verloren ihr Zuhause, elternlose Kinder irrten durch zerbombte Städte. Die Gesichter der Menschen waren von Leere geprägt, Trauer und Resignation herrschte überall.“ Die Zeit des Zweiten Weltkrieges könne kaum anders als „das dunkelste Kapitel unserer Geschichte“ bezeichnet werden.
Der Zweite Weltkrieg habe auch Schauplätze „bei uns im Norden – genau vor unserer Haustür“ gehabt, sagte Hesse. Ein schreckliches Ereignis sei die Cap-Arcona-Tragödie am 3. Mai 1945 auf der Ostsee gewesen. Das nach dem Kap Arkona auf der Insel Rügen benannte Schiff und das Begleitschiff „Thielbek“ seien in der Lübecker Bucht zwischen Neustadt in Holstein und Scharbeutz durch britische Flugzeuge versenkt worden. „An Bord befanden sich über 9.000 KZ-Häftlinge – viele von ihnen aus dem Konzentrationslager Neuengamme, von denen etwa 7.000 dabei ums Leben kamen“, erinnerte die Landtagspräsidentin.
Viele Menschen aus der Region engagierten sich dafür, dass diese Katastrophe unvergessen bleibt. Bereits 1947 sei am Strand bei Groß Schwansee eine der ersten Cap-Arcona-Gedenkstätten entstanden. Ab 1954 sei die Umbettung in die Stadt Grevesmühlen erfolgt, in der 1957 eine neue Gedenkstätte eingeweiht wurde.
Im Dezember 2002 habe sich der „Förderkreis Cap-Arcona-Gedenken“ als ein freiwilliges Bündnis von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen, Einrichtungen und Kommunen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gegründet, die sich dem Gedenken an die Ereignisse und Opfer der Cap-Arcona-Katastrophe verpflichtet haben.
Ein besonderes Beispiel für die Erinnerungskultur vor Ort sei auch das seit 2010 durchgeführte Projekt „Cap Arcona – Gegen das Vergessen“ an der Regionalen Schule Klütz (Landkreis Nordwestmecklenburg), welches jedes Jahr Siebtklässler die Geschichte vor der eigenen Haustür nahebringe.
Die Aufarbeitung der Regionalgeschichte und die Erinnerungsarbeit vor Ort hätten eine herausragende Bedeutung, sagte Hesse laut Redemanuskript weiter. „Denn: Weltgeschichte wird greifbar. Furchtbare Ereignisse werden vor dem Vergessen bewahrt und mahnen. Uns allen wird vor Augen geführt, was geschehen kann, wenn Willkür und Terror herrschen.“ Denn nur wer die Vergangenheit kenne und sie einordnen könne, werde damalige Fehler in der Zukunft vermeiden können.