Am fünften Jahrestag des rechtsextremen Terroranschlags auf die Synagoge in Halle hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen Judenhass und Extremismus angemahnt. “Gedenken bedeutet auch Verantwortung: Sei es in Schulen, in sozialen Medien oder im öffentlichen Diskurs, wir müssen überall klar dafür eintreten, dass Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus keinen Raum finden”, sagte er beim Gedenken an der Synagoge.
Um 12:03 Uhr läuteten die Kirchenglocken in der Stadt zur Erinnerung an die ersten Schüsse des Täters auf die Synagoge. Nachmittags erhält die Jüdische Gemeinde eine neue Thora-Rolle. Am Abend findet ein Gedenkakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Ulrichskirche statt. Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwer bewaffneter Rechtsextremist versucht, in die Synagoge einzudringen, um ein Blutbad anzurichten. Zu der Zeit waren dort 52 Menschen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt. Nachdem das Eindringen misslang, tötete der 27-Jährige zwei Menschen und verletzte weitere.
Josef Schuster fordert eine eindeutige Haltung der Politik
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hab in der einem Gastbeitrag in der Mitteldeutschen Zeitung die Bedeutung des öffentlichen Gedenkens zum Jahrestag hervor: “In Erinnerung an diesen Tag werden wir uns noch stärker als bisher einsetzen für den Respekt vor den verschiedenen Religionen, für den Respekt vor unterschiedlicher Herkunft. Aus Halle geht ein Zeichen der Menschenwürde ins Land.” Zugleich forderte er eine eindeutige Haltung der Politik “gegen Angriffe auf unsere Freiheit”. Eine islamistische Bedrohung dürfe nicht rechtsextreme Positionen stärken. “Der Wall gegen Extremismus in diesem Land ist brüchiger geworden.”
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Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer hat seine Solidarität mit den jüdische Gemeinden bekundet. Außerdem verurteilte er wachsenden Antisemitismus. “Damals dachten wir, dass das der Tiefpunkt ist”, so Kramer. Doch nicht zuletzt seit dem Terrorangriff der Hamas in Israel werde der “Judenhass von Tag zu Tag größer in der ganzen Welt und auch in unserem Land, quer durch alle sozialen Gruppen und politischen Strömungen”.
Der Bischof betonte, “jüdisches Leben hier braucht sichere Orte und die Synagoge ist ein Ort der Stärkung und des Trostes in diesen wahnsinnigen Zeiten”. Es habe in den vergangenen fünf Jahren durchaus Zeichen der Hoffnung gegeben. Zwei neue Synagogen seien in Sachsen-Anhalt eröffnet worden, in Dessau-Roßlau und Magdeburg. Und das zeige: “Jüdisches Leben hat hier Zukunft.”
Katholischer Bischof: Mehr Wissen über das Judentum aneignen
Der katholische Bischof Gerhard Feige sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Dieses Verbrechen hat überdeutlich gezeigt, wie gefährlich der immer noch untergründig schwelende und inzwischen immer offener zutage tretende Antisemitismus in unserer Gesellschaft ist.” Es bleibe eine Herausforderung. Er rief dazu auf, sich mehr Wissen über das Judentum anzueignen, Kontakte zu Synagogengemeinden zu suchen und mit deren Mitgliedern ins Gespräch zu kommen: “Nur so können immer noch vorhandene Klischees und Vorurteile abgebaut werden und menschenfreundliche Beziehungen entstehen.”
Das Trauma von Halle wirkt für Jüdinnen und Juden laut der Psychologin Marina Chernivsky weiter nach. “Die Anerkennung des geschehenen Unrechts ist für die Überlebenden eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Umgang mit Gewalt. Die Wahlergebnisse und die sich häufenden antisemitischen Übergriffe zeigen uns deutlich, dass die breite gesellschaftliche Aufarbeitung des Terroranschlags von Halle nicht eingetreten ist. Für die Betroffenen ist es eine erneute Pein”, sagte die Geschäftsführerin der bundesweiten Antisemitismus-Beratungsstelle “Ofek” auf Anfrage.