60 Flüchtlinge hat Michael Sturm in diesem Jahr getauft. „Viele, die zu unseren Veranstaltungen kommen, wohnen in Flüchtlingsheimen, wo sie freundlich aufgenommen wurden“, sagt Sturm, Pfarrer der Bielefelder Paulus-Gemeinde. „Sie haben sich gefragt, warum die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das machen und woran sie glauben.“
In seiner Gemeinde war klar: Die Flüchtlinge sollen sich willkommen fühlen. So gibt es dort die Möglichkeit, deutsch zu lernen, etwas über den christlichen Glauben zu lernen und sich zu engagieren. Außerdem wird inzwischen jeder Gottesdienst simultan auf farsi (persisch) übersetzt. „Aber Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling“, sagt Sturm. Ihm fiel auf, dass manche großen Wert darauf legen, sich so schnell wie möglich zu integrieren. Andere orientieren sich eher an ihren Landsleuten und freuen sich, wenn sie ihre Sprache sprechen können. „Ich habe mich oft unsicher gefühlt und mich gefragt, was diese Menschen brauchen?“
Erfahrungsberichte eines Paares aus Ägypten
Auch aus diesem Grund hat seine Gemeinde diesmal gerne den jährlichen Impulstag der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche von Westfalen (GGE) nach Bielefeld geholt. „Dem Fremden Freund sein“ lautet das Thema. Die Referenten Birgit und Reinhard Hämmerle aus Herrenberg bei Stuttgart berichten von ihren Erfahrungen im Ausland. Neun Jahre lebte und arbeitete das Ehepaar in Ägypten.
Die beiden weisen darauf hin: Je nach Herkunftsland gibt es große Unterschiede zwischen den Flüchtlingen. Das werde manchmal vergessen. „Die Menschen aus dem Iran fliehen vor einem extremen Islam, vor einem unterdrückenden religiösen System“, sagt Reinhard Hämmerle. Vor allem Akademiker seien aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Aus Syrien kämen die, die vor dem Krieg fliehen. Andere hofften auf ein besseres Leben, darauf, der Familie in der Heimat das Überleben zu sichern. Die Bildung sei sehr unterschiedlich. „Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie Unterstützung brauchen, um sich in Deutschland zurechtzufinden“, sagt Birgit Hämmerle. „Denn auch wenn viele bereits ein Jahr oder länger in Deutschland leben: Die Kultur hier ist ganz anders.“
Deswegen ist es wichtig, dass Flüchtlingen nicht nur die Sprache, sondern auch Kultur vermittelt wird. Birgit Hämmerle: „Sie müssen etwas hören über das Deutsche Grundgesetz, über unser Rechtssystem. Sie müssen verstehen, dass hier nicht die Scharia gilt. Wer hier leben will, muss sich an die hier geltenden Regeln halten.“
Viele Flüchtlinge sind nach einem Jahr ernüchtert, so die Beobachtung des Ehepaares. Die Willkommens-Begeisterung ist abgeflaut. Deutsch ist schwer zu lernen, auch eine Wohnung und Arbeit sind nicht so leicht zu finden. Dazu kommt, dass bei vielen die Familie weit weg ist.
Um Flüchtlinge zu unterstützen, die in Kirchengemeinden kommen, müssen auch die Mitarbeitenden wissen, mit wem sie es zu tun haben und sollten die wesentlichen kulturellen Unterschiede kennen. „Bei uns gilt es als unhöflich, wenn man sein Gegenüber im Gespräch nicht anschaut. In vielen arabischen Kulturen ist es extrem unhöflich, wenn man sich in die Augen schaut – vor allem zwischen Mann und Frau“, erklärt Reinhard Hämmerle.