Wenn man die Botschaft der Bibel in einem einzigen Satz zusammenfassen müsste, dann wären es vielleicht diese Worte: Fürchtet euch nicht. In eine Welt, die seit Menschengedenken von Unfriede und Gewalt gezeichnet ist, bricht die Stimme vom Himmel.
Die Hirten damals auf dem Felde erschraken heftig über diese Worte. Und verstört reagieren auch wir heute. Denn Anlass zur Furcht gibt es genug:
U-Bahn-Treter und Bahnhofsschläger. Krieg in Syrien und Irak. LKWs, die in Menschenmengen rasen und Zwölfjährige, die Bomben zünden wollen. Dazu die Krise der EU. Und eine Weltsupermacht USA, von der niemand weiß, was für Überraschungen sie im nächsten Jahr für uns bereithalten wird.
Angst und Furcht haben durchaus ihren Sinn. Sie sind den Menschen in die Gene gelegt. Es geht dabei um Hormon-ausschüttung und Gefahrenabwehr: Innerhalb von Sekundenbruchteilen putscht sich der Organismus hoch. Der Mensch steht quasi unter Strom.
Das Problem dabei ist, dass wir heute nicht mehr dreimal am Tag Angreifern oder Opfern gegenüberstehen, die wir mit der Keule niedermachen müssten. In der modernen Zivilisation wären Einfühlungsvermögen und nüchternes Abwägen gefragt. Die archaischen Instinkte gehen in die Irre: Kochendes Blut und zitternde Nerven führen zu Panik, Blockaden, Übersprungshandlungen und – im schlimmsten Fall – zu Mord und Todschlag.
Furcht lähmt eine Gesellschaft. Wir brauchten aber: Mut zur Liebe. Im Schatten der Angst kann keine Liebe wachsen. Liebe aber ist die Formel für Leben. Aus der Sicht von Christinnen und Christen heißt das: Gott kommt in die Welt. Gerade zu Weihnachten, im Bild der Krippe, wird dies klar: Gott neigt sich uns zu – deshalb sollen auch wir allen anderen Menschen zugetan sein. Gottes Liebe gilt auch ihnen. Jedem Einzelnen.
Furcht tötet Leben. Liebe lässt Leben. Deshalb: Fürchtet euch nicht.
Nicht angesichts von Fremden und Flüchtlingen. Sie stellen unsere Wohlstandsgesellschaft und unser Christsein auf die Probe: Was heißt das – Nächstenliebe? Was würde der barmherzige Samariter für uns heute bedeuten, im Alltag?
Sie stehen jetzt vor der Tür, unsere „Nächsten“. Sie klopfen an, bitten um Brot, ein Dach über dem Kopf. Werden wir die Tür öffnen? Oder geschlossen halten – aus Furcht?
Fürchtet euch nicht. Nicht angesichts von Trumps und Putins, von Assads oder Erdogans.
Auch nicht angesichts von Schreihälsen auf den Straßen und Hassparolen auf Kirchtürmen.
Fürchtet euch auch nicht angesichts des Todes. Gerade hier, im Leiden und Sterben, wird deutlich, was der Satz des Engels heißt. Denn „Fürchtet euch nicht“ meint ja nicht ein falsches in Sicherheit wiegen, es fordert ja nicht auf, die Augen zu verschließen vor den Tatsachen: Am Ende, egal wann es kommt, wird jeder von uns sterben. Man kann hoffen auf ein langes, erfülltes Leben. Und auf einen gnädigen Tod. Dass das Siechen sich in Grenzen hält. Aber: Sterben werden wir. Alle.
Fürchtet euch nicht – denn Euch ist der Heiland geboren. Ja, alles wird heil. Dereinst, bei unserem Gott. Das gibt Mut. Schon jetzt.